Wien Musikgeschichte. Von der Prähistorie bis zur Gegenwart / Hrsg. v. Elisabeth Theresia Fritz-Hilscher und Helmut Kretschmer. – Wien [u.a.]: Lit, 2011. – 743 S.: 2 Abb. (Geschichte der Stadt Wien ; 7)
ISBN 978-3-643-50368-8 : € 49,90 (geb.)
Die erste umfassende Wiener Musikgeschichte nach modernen wissenschaftlichen Maßgaben liegt nun vollständig vor und überzeugt durch ihre Gründlich- wie Tiefgründigkeit. Es handelt sich keineswegs um ein herkömmliches Sammelsurium, das die „üblichen verdächtigen“ Personen und Ereignisse in sich vereint, sondern um ein sorgfältig über Jahre hinweg von einem Expertenteam erarbeitetes Kompendium. Nachdem ein bereits Ende 2005 herausgebrachter Band von beachtlichem Umfang mit Volksmusik und Wienerlied (samt Noten und Abb.) die autochthone Ebene des unterhaltenden Musizierens abgedeckt hatte, machte sich dasselbe Herausgeber-Duo im Verein mit weiteren sechs prädestinierten Autoren an die Herausgabe einer Kulturgeschichte mit Ausrichtung auf die musikalischen wie politischen Rahmenbedingungen innerhalb der Stadt Wien, die in diversen Zeitläuften die Kulturen und Musiker geradezu in ihren Kessel gesogen, und die im Gegenzug weit über die Landes- und Kontinentalgrenzen hinweg in ihrer kulturellen Bedeutung hinausgestrahlt hat.
Ausdrücklich distanziert sich die Autorenschaft von Klischeebestätigungen in Bezug auf ihre „Musikstadt“, gerade zumal in zahlreichen Publikationen des 20. Jahrhunderts vieles oft unhinterfragt weitertradiert wurde.
Der inhaltliche Aufbau hangelt sich entlang eines chronologischen Gerüsts, das unterteilt ist in historisch verortete Sachthemen, wobei ein eindeutiger Schwerpunkt auf die Zeit des 19. und 20. Jahrhunderts gelegt wurde. Für die Navigation durch eine so reiche Geschichte seit der Römerzeit bis zum Jazz- und Pop-Zeitalter mit einer vor Informationen strotzenden Datenfülle bedarf es einer differenzierten Gliederung mit einem hierbei gelungen strukturierten Inhaltsverzeichnis (S. I–VII) und einem ausführlichen Personen- und Institutionen-Register (S. 689–743). Sehr hilfreich sind auch die im Fließtext durch Kapitälchen hervorgehobenen Namen. Die verkürzten Quellennachweise befinden sich stets auf der jeweiligen Seite. Immer einer oder zwei der Autoren zeichnen als Verfasser eines der elf Großkapitel verantwortlich, was dem Gesamtcharakter – aus einem Guss – nur zuträglich ist. Das Prinzip von Auflistungen wurde nur in wenigen zweckdienlichen Fällen angewandt.
Das Buch eignet sich nicht nur für ein Fachpublikum, sondern durchaus etwa auch für Wien-Touristen, die auf den Spuren von Komponisten und Orten der Musikausübung wandeln wollen: Die Musiktopographie (S. 535–597) bietet dafür ungeahnte Möglichkeiten.
Wohl um die Buchstärke und den Preis in einem vernünftigen Rahmen zu halten, wurde auf Illustrationen verzichtet; als Manko dürfte dies aber nicht empfunden werden. Eine Investition in Höhe von 70 Euro für beide Bände komplett ist zweifelsohne gut angelegt.
Manfred Sailer
Regensburg, 18.08.2012