Fariborz, Arian: Rock the Kasbah. Popmusik und Moderne im Orient. – Heidelberg: Palmyra, 2010. – 181 S.: 35 Fotos
ISBN 978-3-930378-84-5 : € 17,90 (Pb.)
Ein solcher Coup gelingt nur selten. Gerade erst hatten die Buchhändler die Veröffentlichung aus dem Palmyra-Verlag in die Regale geräumt, schon flohen die Despoten. Der Tunesier Ben Ali verschwand nach Saudi-Arabien, sein ägyptischer Kollege Mubarak schaffte es gerade noch ans Rote Meer. Dass Arian Fariborz die historische Weichenstellung in ähnlicher Weise für sich reklamiert wie Popmusiker James Blunt, der eigenen Angaben zufolge als Soldat im Kosovo den dritten Weltkrieg verhinderte, ist eher unwahrscheinlich. Bislang ist sogar unklar, ob und welchen Einfluss die von Fariborz beschriebene musikalische Protestkultur in Nordafrika und im Nahen Osten auf die revolutionären Ereignisse der letzten Monate gehabt hat. Doch ließe sich wohl kein besserer Zeitpunkt als der jetzige finden, sich Fariborz‘ Reportagen zu widmen.
Der 1969 in Hamburg geborene Autor ist ein Kenner der Materie. Nach dem Studium der Islam- und Politikwissenschaften (u. a. in Kairo) ist Fariborz als Redakteur bei der Deutschen Welle und beim Internetmagazin Qanatara.de („Dialog mit der islamischen Welt“) tätig. Die langjährigen Erfahrungen aus seiner Beschäftigung mit Jugendkultur im Orient und migrationspolitischen Themen halfen ihm bei der vorliegenden Veröffentlichung im Heidelberger Palmyra-Verlag, der sich seinerseits mit dem Motto „Von Arafat bis Zappa“ als idealer Partner für das Thema erweist.
Arian Fariborz hat sich bei seiner Arbeit für eine Sammlung von Reportagen entschieden. Seine sechs Berichte führen nach Ägypten, Algerien, Israel und Palästina, Marokko sowie in den Libanon und in den Iran. Die regionale Eingrenzung korrespondiert mit einer Beschränkung auf wenige musikalische Stile. Dem Autor ging es nicht um ein Kompendium zur gesamten populären Musik in Nordafrika und dem Nahen Osten. Vielmehr greift er sich einzelne Subkulturen heraus, an deren Beispiel er die gesellschaftlichen und politischen Veränderungen in dem jeweiligen Land thematisiert. Die Bandbreite reicht von der ägyptischen Heavy-Metal-Szene über Hip-Hop in Palästina/Israel und Avantgarde im Libanon bis zu den legendären marokkanischen Master Musicians of Joujouka. Die Untersuchungen Fariborz‘ sind kenntnis- und vor allem aufschlussreich. Dass sich etwa im krisengebeutelten Libanon eine Avantgarde-Szene entwickeln konnte, ist nicht zuletzt dem (auch hörbaren) Wahnsinn des Krieges geschuldet. Lediglich die Kürze der Reportagen wäre zu kritisieren: So hätte es beispielsweise im Falle der Master Musicians mehr Raum bedurft, um die Entwicklung nach der Trennung der Gruppe von mehreren Seiten zu beleuchten. Trotz der geringen Seitenzahl aber ist es Verlag und Autor hoch anzurechnen, dass sie das Buch durch ein Glossar zu den wichtigsten Instrumenten und Stilen, ausführliche Bildbeschreibungen und eine Linkliste zu den erwähnten Musikern ergänzen.
Michael Stapper
zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 32 (2011), S. 201f.