Cross, Charles R.: Jimi Hendrix – Hinter den Spiegeln. – Höfen: Hannibal, 2006. –325 S. : 27 s/w Abb.
ISBN : 3-85445-264-0 : € 24,90 (Hc)
Singuläre Talente, die ihre Zeit weit überstrahlen, existieren in allen Sparten des musikalischen Schaffens. Besonders beeindruckenden Persönlichkeiten wird der Status von kultisch verehrten Stars zugewiesen. Damit einher geht die Aneignung der Person des verehrten Künstlers durch die Massen und Medien. In jenen Fällen, wo die Stars bereits verstorben sind, scheint aufgrund vereinfachter Rechtslage und anhaltenden Interesses einer größeren Leserschaft der Ausstoß an Publikationen zu Leben und Werk besonders schnell zu expandieren.
Anläßlich des Mozartjahres wurde man so mit einer Fülle neuester, bislang wenig bekannter Details zum Leben und Lieben des Wunderknaben beglückt. Dies gilt auch für den Fall eines anderen Wunderknaben, der gleichsam zur Ikone wurde, indem er durch Inspiration und Virtuosität ein geradezu paradigmatisches Werk schuf: der Gitarrist Jimi Hendrix. In der Biografie von Charles Cross erfährt man nun, was sich hinter dem öffentlichen Image des genialen E-Gitarren-Quälers verbarg – und hinter seiner Gitarre. Wenn dies alles nur nicht vielfach so banal und ironie-frei wäre! Möglicherweise wird der Eindruck des Trivialen durch den sehr bescheidenen Sprachstil des Textes, der im Umgangssprachlichen dümpelt, noch verstärkt. Dies ist vermutlich der Tatsache zuzurechnen, daß das Buch nach Aussagen des Autors auf 325 (dreihundert-fünfundzwanzig!) Interviews basiert und die daraus entnommenen Zitate die Struktur des Textes weitgehend bestimmen.
Da hätte man andere Qualität erwartet, zeichnet für das Lektorat des Buches doch kein geringerer als der unter dem Pseudonym Hollow Skai bekannte frühe Protagonist der bundesdeutschen Punk-Bewegung (und spätere Kulturredakteur und Buchautor) verantwortlich. Sollte der Ex-Punker am alten Hippie Hendrix letztendlich gescheitert sein?
Charles R. Cross gelingt es in seinem Buch zwar abseits des vorhandenen bloßen Klatsches und Tratsches eine Vielzahl interessanter Fakten und Anekdoten aneinanderzureihen, – der Leser muß hier wirkliche „Auslese“ betreiben – eines beherrscht Cross jedoch nicht: die Methode, aus der Biografie einer bekannten Person der Zeitgeschichte ein Bild der Zeit zu destillieren. Durch eine derartige Kontext-Erschließung könnte auch die traurige aber banale Geschichte eines armen ehrgeizigen Jungen wie Hendrix, der Tag und Nacht Gitarrespielen übt, bis der schnelle Welterfolg ihm dann den plötzlichen Schluß-Akkord beschert, zu interessanter Lektüre werden.
Unter Beweis gestellt hat dies ein anderer Autor: Charles Shaar Murray, dessen Buch „Crosstown Traffic – Jimi Hendrix and post-war pop“ 1989 in England erschien. Das Buch scheint jetzt in der deutschen Übersetzung (unter anderem Titel) beim gleichen Verlag vorzuliegen. Die Rezension des Buches ist für die nächste Ausgabe des FORUM MUSIKBIBLIOTHEK geplant.
Manfred Miersch
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 27 (2006), S. 306f.