Jørgen Erichsen: Friedrich Kuhlau. Ein deutscher Musiker in Kopenhagen [Manfred Sailer]

Erichsen, Jørgen: Friedrich Kuhlau. Ein deutscher Musiker in Kopenhagen. Eine Biographie nach zeitgenössischen Dokumenten. – Hildesheim: Olms, 2011. – 416 S.: zahlr. Abb., Notenbsp. (a. d. Dän. übers. v. Marie Louise Reitberger)
ISBN 978-3-487-14541-9 : € 39,80 (geb.)

Kunau kennt man – aber Kuhlau? Oder umgekehrt? Jedenfalls ist jener mehr den Organisten ein Begriff, der Andere gerade jungen Pianisten; doch nur den Wenigsten dürften mehr als seine Sonatinen geläufig sein.
225 Jahre sind seit der Geburt von Friedrich Kuhlau (1786–1832) verstrichen, und vor zwei Jahrhunderten begann das Wirken des geborenen Norddeutschen in Kopenhagen. Und erst jetzt gibt es eine den aktuellen Forschungen entsprechende grundlegende Biographie, samt kurzer, nicht in die Tiefe der Analyse vordringender Werkschau, über diesen zu Unrecht unterbelichteten Komponisten; abgesehen von der Würdigung von 1875 (dän.) bzw. 1886 (dt. Übers.) durch Carl Thrane. Was der Musikwissenschaftler Erichsen über vier bis fünf Jahrzehnte hinweg recherchiert hat, gibt es nun zuerst in einer deutschen Übersetzung – gewidmet Kuhlaus Herkunftsstadt Uelzen -, ein Zugeständnis an den schwierigen Buchmarkt in Dänemark. Das Buch handelt von Kuhlaus Familie, vom Verhältnis zur Musik von Beethoven, vom Leben als „Musikproduzent“ (ca. 550 Werke) im Sinne eines Managers seiner selbst bei Konzerten, v.a. fürs Königshaus und im Ausland, und bei den Verlagen in London, Wien, Bonn, Leipzig, Paris, Oslo oder Mainz. Trotz der wissenschaftlichen Fundierung liest es sich wie ein fesselnder Roman eines ganz und gar nicht langweiligen Protagonisten unter enormen Spannungen und Verlusten. Wer sich hineinvertieft in die Schaffensvielfalt (Musikdramen wie Lulu, Moses oder An die Freude, Kammer-, Flöten-, Klavier-, Chormusik, Lieder) wie auch die historisch-politischen Umstände (Flucht aus Hamburg wegen Napoleon), ebenso die persönlichen (ständige Geldnöte), wird bald besser verstehen, wieso viele Melodien so „dahinplätschern“ (Walter Georgii, 1950) und nicht in Beethovenscher Manier ausbrechen, wenngleich es sogar kontrapunktische Schöpfungen gibt, z.B. die Rätsel- oder comischen Kanons, die besagter B. bei K.s Besuch in Wien 1825 bewundert hat; oder seine Erfindung eines Kaleidakustikons, ein Kaleidoskop fürs Ohr, zur schier unendlichen Neukombination von Walzermelodien.
Zugang zu wenig bekanntem Repertoire inkl. Überraschungspotential – Einspielungen und Aufführungen von Kuhlaus Werken gibt es in letzter Zeit verstärkt in Japan – geschieht zunächst über das Wissen von diesem oder eben über Musiker-Lebensläufe und deren Verflechtungen, z.B. die Auswirkung von C. M. von Webers Gastkonzert 1820 in Kopenhagen. Dazu leistet dieser Band einen vortrefflichen Beitrag. Auch das praktische A5-Format und der stabile Umschlag, das haptisch angenehme Papier und etwa alle fünf Seiten ein Bildchen (Manko: wieso nur in s/w?) verleiten zum Schmökern. Der lockere Schreibstil verleiht dem Lesen Freude. Nur, längere Zitate dürften ruhig mehr ins Auge springen.
Möge man also Kuhlau näher kennenlernen!

Manfred Sailer
Regensburg, 30.09.2011

 

Musikautomat, Thrane,

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