Walter, Meinrad: Johann Sebastian Bach. Johannespassion. Eine musikalisch-theologische Einführung. – Stuttgart: Carus-Verlag und Philipp Reclam jun., 2011. – 280 S.: zahlr. Notenbsp., 61 Farb- und Schwarzweißabb.
ISBN 978-3-89948-156-3 u. 978-3-15-010813-0 : € 29,90 (geb.)
Braucht es tatsächlich noch eine (weitere) Einführung in Bachs Johnnespassion? Das ist vielleicht der erste Gedanke, den man bei dieser Neuerscheinung hat. Meinrad Walter, der Kirchenmusikreferent der Erzdiözese Freiburg, beantwortet diese Frage mit „ja“. Er unternimmt in seinem Buch „den Versuch einer musikalisch-theologisch fundierten und zugleich ohne besondere Vorkenntnisse gut lesbaren Einführung“ (S. 8). Diesem Anspruch wird sein Text durchaus gerecht: Klar gegliedert nach den einzelnen Abschnitten des Werks werden sowohl der biblische als auch der gesungene Text sowie die musikalische Textur beschrieben und interpretiert. Dabei nimmt er auch die musik- und interpretationshistorischen Erkenntisse auf. Die theologische Interpretation steht erkennbar im Vordergrund, was allerdings auch zu solch pointierten Aussagen führt, dass die Herr-Anrufungen „den Eingangschor zu einem komponierten Gebet“ machen (S. 70). Durch ein Glossar zu den theologischen (und auch musikalischen) Fachbegriffen (S. 270ff.) gelingt es dem Autor, auch den theologisch nicht geschulten Leser einzubeziehen. In Form von Exkursen gibt Walter an mehreren Stellen eine gute Zusammenfassung zum Forschungsstand verschiedener, die Johannespassion berührender Aspekte wie z.B. einen Überblick über die Geschichte der Passion als musikalischer Gattung (S.26ff.), den Antijudaismus in der Passion (S. 137ff.) oder die vier verschiedenen Fassungen des Werks. Auf die Fassung von 1725 wird dabei besonders detailliert eingegangen (was zugleich die Notenausgabe des Carus-Verlags bewerben dürfte).
Der Band erschöpft sich darin aber nicht. Denn Walter verfolgt außerdem einen interdisziplinären Interpretationsansatz: „Angezielt ist zugleich ein Dialog zwischen Musik und Bild“ (S. 9). Bildinterpretationen von Passionsdarstellung (von Albrecht Dürer, über Rembrandt bis zu Marc Chagall) wie auch die filmische Interpretation der Johannespassion von Hugo Niebeling werden als „Belege“ oder „Verstärker“ für Walters Interpretation des Bachschen Werks angeführt (S. 74-76). Dies erscheint vielfach rein assoziativ und nicht immer nachvollziehbar für den Leser.
Der Band überzeugt als zusammenfassende und zugleich weit gespannte Einführung die Bachsche Johannespassion. Der interdisziplinäre Ansatz bleibt Geschmacksache.
Eva Schütz
Köln, 20.09.2011