Sprenger, Cordula: Felicitas Kukuck als Komponistin von Solo- und Chorliedern. Exemplarische Untersuchungen zu zeitgeschichtlichem Umfeld und stilistischen Einflüssen. – Marburg: Tectum, 2008. – 217 S.: Abb., CD-ROM (Systematische Musikwissenschaft und Musikkulturen der Gegenwart ; 1)
ISBN 978-3-8288-9756-4 : € 24,90 (kart.)
Sicher hat die weltanschauliche Vokalistin Felicitas Kukuck (1914–2001) in der Singebewegung der alten Bundesrepublik durch ihren Unterricht, ihre Lehrwerke und durch ihre Kompositionen bleibende Spuren hinterlassen, die allerdings auch langsam verblassen. Ihre Werke sind wegen der ihnen nachgesagten Schlichtheit für Laienchöre besonders geeignet und beliebt, es wird aber auch schon manchen Kirchenchor gegeben haben, den ihre doch auch wieder recht komplexen Kompositionen an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit geführt haben, wie der Rezensent aus eigener Erfahrung weiß. Aus dem umfangreichen Werk der Kukuck ihr solistisches und chorisches Liedschaffen auszusuchen, um es einer genaueren Untersuchung und Darstellung zu unterziehen, liegt sehr nahe und ermöglicht einen bequemen Zugang zu ihr. Dieses Buch ist deswegen auch besonders für Musikbibliotheken geeignet, deren Benutzer sich mit liedhaftem Laien- und Chorgesang beschäftigen.
Das Leben der Hamburgerin Felicitas Kukuck ist aufregend genug. Ihr späteres Liedschaffen schöpft unmittelbar aus ihren schlimmen Erfahrungen während des Dritten Reiches und des Krieges, wo es ihr trotz ihrer jüdischen Herkunft väterlicherseits gelang, sich als Musikpädagogin durchzuschlagen und eine schützende Aufnahme in der Reichsmusikkammer zu finden. Trotzdem lebte sie weiterhin riskant, versteckte in Berlin bis 1945 eine verfolgte Jüdin und unterrichtete illegal mehr, als die Rassenpolizei erlaubte. Prägend waren die zwei Jahre in der Berliner Kompositionsklasse von Paul Hindemith, bevor er 1938 Deutschland in Richtung Schweiz verließ. Nach dem Krieg baute sich Kukuck eine neue Existenz in Blankenese bei Hamburg auf.
Die akademische Darstellungsmethode der Autorin ist gediegen zu nennen. Der manchmal etwas übertrieben und umständlich wirkende wissenschaftliche Aufwand ist der Tatsache geschuldet, dass diese Arbeit als akademische Abschlussarbeit verfasst wurde. Ausgehend von Kukucks Ansichten über die Bedeutung des Singens werden ihre liedästhetischen Vorstellungen erläutert und dann einzelne Liedtypen literarisch-musikalisch behandelt: Volkslieder, religiöse Lieder, Kinderlieder, Songs, Dichterlieder, Liebeslieder, Lieder gegen Krieg und Vernichtung. Auf der beigelegten CD befinden sich dazu Noten- und Hörbeispiele sowie weitere Lebensdokumente. Die Autorin hat selbständig recherchiert, Interviews geführt und ausgewertet und Lebenszeugnisse aus dem Familienbesitz herangezogen. Mehrere zweckdienliche Verzeichnisse runden dieses informative Buch ab, dessen Verwendung außerhalb des akademischen Milieus größer als innerhalb sein dürfte und auch wünschenswert wäre.
Peter Sühring
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 31(2010), S. 61f.