Benjamin Britten / Hrsg. von Ulrich Tadday. – München: edition text+kritik, 2015. – 143 S.: s/w-Abb., Notenbeisp. (Musik-Konzepte Neue Folge ; 170)
ISBN 978-3-86916-422-9 : € 28,00 (kart.)
Fast zwei Jahre zu spät für das Zentenarium erscheint der Musik-Konzepte-Band zu Benjamin Britten, sechs Beiträge, die sich nur zum Teil mit dem „Kernbereich“ von Brittens Schaffen befassen. Sarah-Lisa Beier und Florian Csizmadia bauen auf etablierter Forschung auf und tragen kleine neue Mosaiksteine zur Kompositionstechnik Brittens bei; hierbei fällt auf, dass beide Autoren die Forschung ebenso wenig nachhaltig erkundet haben wie Kerstin Schüssler-Bach die nahezu unübersehbare Literatur zu Britten und dem Pazifismus. So ergeben sich leider teilweise „traditionalistische“ Forschungsansätze, die der gebrochenen Persönlichkeit des Komponisten, seinen inneren Widersprüchen nicht unbedingt nahekommen. Besonders fällt dies bei den traditionsbehaftet affirmativen Ausführungen zu Brittens Pazifismus auf, die nicht nur wegen des beschränkten Platzes gelegentlich etwas knapp geraten sind, sondern vor allem die dekonstruktivistische Britten-Forschung nachhaltig ignorieren. Norbert Abels steuert eine grundsätzliche Arbeit über Brittens literarische Welt bei; auch hier werden vor allem die eher naheliegenden Literaturbereiche betrachtet – ein nachhaltiger Besuch in Brittens reeller Bibliothek (die in der Britten-Pears Foundation bewahrt und immer noch nicht vollständig erfasst ist) ist immer noch ein Forschungsdesiderat. Meinhard Saremba befasst sich – aus durchaus subjektiver, aber gerade daher interessanter Perspektive – zentral mit Brittens Six Metamorphoses after Ovid op. 49 für Oboe allein; durch die Betrachtung der von Britten gewählten Ovid-Metamorphosen reißt er, quasi in Gestalt eines Eröffnungsbeitrags, verschiedene wichtige Themen von Brittens Lebens- und Weltsicht auf. Einen trotz seiner Knappheit äußerst wichtigen Beitrag liefert Guido Heldt mit einer Übersicht über Brittens Schaffen für Film, Radio und Theater.
Bedenklich stimmt die bildredaktionelle Seite des Bandes. Nicht nur dass zumeist Bildmaterial gewählt wird, das bereits bis zum Verdruss nachgedruckt worden ist (das Britten-Fotoarchiv ist durchaus reicher): Statt die Fotografen und die die originalen Fotos besitzenden Bibliotheken und Archive zu nennen, wird vor allem ein Archiv zitiert, das nach den hier zu sehenden Reproduktionen allerhöchstens mit minderwertigen Reproduktionen zweiter oder dritter Generation aufwarten kann. Dass Hinweise zu den Autoren wichtiger zu sein scheinen als ein Register, ist meines Erachtens eine überholte Sichtweise.
Herausragend für den Band (und von der Thematik her durchaus verknüpft) ist Dieter Schnebels äußerst persönlicher Nachruf auf Rainer Riehn, zusammen mit seinem Lebensgefährten Heinz-Klaus Metzger† Begründer der verdienstvollen Reihe der Musik-Konzepte.
Jürgen Schaarwächter
Karlsruhe, 21.09.2015