Fuhrmann, Peter: Alle Lügen hört man sofort. 24 Begegnungen mit großen Musikern – Berlin: Dittrich, 2014. – 253 S.: s-w-Abb. Kurzporträts der Künstler
ISBN 978-3-943941-45-6 : € 14,99 (nur als e-Book)
Fuhrmann, Peter: Musikmetropole Köln. Provinz und Weltbedeutung – Berlin: Dittrich, 2013. – 268 S.
ISBN 978-3-943941-12-8 : € 19,80 (auch als e-Book)
Die berufliche Tätigkeit des 1930 geborenen Peter Fuhrmann ist nicht mit einem einzigen Begriff zu fassen. Seine Studien galten der Musik-, Theaterwissenschaft, Philosophie und Geschichte, die praktische Ausbildung umfassten Kirchenmusik, Klavier und Dirigieren. Real schließlich: Kulturredakteur beim WDR Köln (Fernsehen und Rundfunk), künstlerische Beratung bei Festivals u.ä., Aufbau der TV-Kultursender, Autor bei der Zeit. Da kommt man durch die Welt, da gewinnt man Überblick. Was Wunder also, wenn unter 24 Begegnungen mit großen Musikern (so die Untertitelung seines jüngsten Buches „Alle Lügen hört man sofort) ganz große Persönlichkeiten auftauchen wie Dietrich Fischer-Dieskau und Herbert von Karajan. Andere ranghohe Namen mag man vermissen, aber die Beiträge (für das Buch leicht revidiert) waren Aufträge des Zeit-Feuilletons, wo auf Vorgaben fraglos einzugehen war, auch bei der Länge der Texte. Der Autor sucht ohnehin mehr nach Essenz als nach Vollständigkeit, Biografisches fließt hier mehr, dort weniger ein. Aber was wäre zu den Lebens- und Karrierestationen von Fischer-Dieskau und Karajan noch Unbekanntes zu sagen? So ergeben sich Pars-pro-toto-Umrisse, wie sich die vorliegende Buchbetrachtung eine extreme Mini-Auswahl gestattet. Porträtiert werden außer den bereits Genannten John Eliot Gardiner, Maurizio Pollini, Anne Sophie Mutter, Keith Jarrett, Witold Lutoslawski, Krystian Zimerman, Leonard Bernstein, Karlheinz Stockhausen, Hagen Quartett, Frank Peter Zimmermann, Maria Joao Pires, Pierre Boulez, Nathan Milstein, Heinz Holliger, Rolf Liebermann, Friedrich Gulda, Gidon Kremer, Christian Zacharias, Claudio Abbado, Hans Werner Henze, Rudolf Serkin und Manfred Gräter.
Was Fischer-Dieskau betrifft, so hatte Fuhrmann das Privileg, nach der Premiere von dessen dritter Falstaff-Produktion in München in relativ privater Runde sitzen zu dürfen, wo sich der Sänger ungewöhnlich locker gab, um dann irgendwann aber doch – mit seiner Frau Julia Varady lediglich einen kurzen Blick wechselnd – die fröhlich-kreative Runde für beendet zu erklären. Auch bei dieser Gelegenheit also „Abstand und Diskretion“. Immerhin gab es zuvor die eine oder andere Auskunft von Bedeutung, so über das Verhältnis zu Wilhelm Furtwängler, dem Fischer-Dieskau geradezu „mystische Qualitäten“ attestierte.
Im Gegensatz zu dem Sänger war Herbert von Karajan kein sonderlich eloquenter Gesprächspartner. Als genuinen „Machtmenschen“ hinderte ihn das freilich nicht, sich auch verbal stets durchzusetzen. Man musste freilich geduldig lernen, an ihn heranzukommen. Selbst eine so enge Verbindung wie die des Dirigenten zu den Berliner Philharmonikern verhinderte nicht einen tragischen Konflikt. Intendant Wolfgang Stresemann gebrauchte in Bezug auf seine Person einmal den Vergleich mit unbeständigem Wetter. Karajan konnte grantig sein, aber auch sehr zugewandt (so bei Nachwuchs-Künstlern). Über die oft kritisierte luxuriöse Klangästhetik des Dirigenten verlautet in dem Porträt nichts. Aber es gibt es eine Auskunft über „immer wieder Beethoven“. Nach der dritten Gesamteinspielung der Sinfonien meinte Karajan, erst jetzt „den Weg für einen Zugang zu erkennen“.
Eine andere Publikation Peter Fuhrmanns aus dem Vorjahr sollte nicht unerwähnt bleiben. In Musikmetropole Köln. Provinz und Weltbedeutung porträtiert er als zwar nicht geborener, aber eingemeindeter Kölner die rheinische Stadt und ihre Musikszene in relativ knappen, aber doch ergiebigen Einzelporträts. Der Philharmonie und dem Westdeutschen Rundfunk gilt seine besondere Aufmerksamkeit. Die gegenseitige Befruchtung von Alter und Neuer Musik wird sinnfällig ausgemalt. Doch kommt nicht zu kurz, was sich darüber hinaus in Jazz, volkstümlicher Musik und kulturellen Randzonen abspielt. Diese Ausgewogenheit korrespondiert zur journalistisch flüssigen Sprache Fuhrmanns: reiches Wissen, unakademisch vermittelt. Zu diesem Buch gibt es leider kein Bildmaterial.
Christoph Zimmermann
Köln, 19.09.2014