Wagner-Trenkwitz, Christoph: Sie kannten Richard Strauss. Ein Genie in Nahaufnahme – Wien: Amalthea, 2013. – 224 S.: 55 s/w-Abb.
ISBN 978-3-85002-746-5 : 22,95 € (geb.)
In der Hoffnung, das rätselhafte Phänomen „Genie“ verstehen zu können, haben sich die Bewunderer eines Komponisten von jeher bemüht, nicht nur einen Blick in seine „Werkstatt“ zu werfen, sondern auch seine Privatsphäre kennen zu lernen. So liegt es im aktuellen Richard-Strauss-Gedenkjahr nahe, dass über ihn neben akademischer Spezialliteratur zu seinem Schaffen auch letzterer Aspekt beleuchtet wird. Wagner-Trenkwitz hat für den vorliegenden Band viele Selbstzeugnisse sowie verschiedene Berichte von Zeitgenossen des „Meisters“ zusammengetragen, unter biografischen Gesichtspunkten in mehrere Kapitel geschickt geordnet und im Plauderton kommentiert. Die Quellen sind allerdings zu einem großen Teil an anderer, mitunter aber schlecht zugänglicher Stelle bereits veröffentlicht worden – das Buch wendet sich also weniger an den Wissenschaftler als an den interessierten Laien und Bewunderer.
Oft handelt es sich um längere Briefpassagen, in denen entweder Strauss von eigenen Erlebnissen berichtet oder Besucher von ihren Eindrücken bei Begegnungen erzählen; andere Abschnitte sind verschiedenen Lebenserinnerungen entnommen, und weitere Teile stammen aus Interviews, unter denen das im Vorfeld der Publikation vom Autor mit dem Enkel Christian Strauss geführte und hier also erstmals publizierte hervorzuheben ist – allerdings muss man dabei bedenken, dass der „Familieninsider“ bei des Komponisten Tod erst siebzehn war.
Seinem Wesen nach ist das ganze Material, bei dem vielfach Anekdotisches geboten wird, also sehr subjektiv geprägt – Wagner-Trenkwitz räumt dies in seinem Vorwort auch ein. Für eine entsprechend quellenkritische Aufbereitung wären demnach umfangreiche Anmerkungen erforderlich, wie dies dem Charakter und dem gesamten Zuschnitt des an ein großes Publikum gerichteten Buches nicht entsprochen hätte. Dafür kommt selbst der „Yellowpress-Leser“ auf seine Kosten, wie etwa bei der nie ganz aufgeklärten „Affäre Mieze Mücke“ von 1902: Einige von der forschen Ehefrau abgefangene „verfängliche“ Briefe jener Dame hatten für ziemlichen Aufruhr im Künstlerheim gesorgt, in dem – wie allgemein bekannt – Pauline die „Regierungsgewalt“ hatte (ihr ist übrigens auch ein Kapitel gewidmet). Andererseits wird Strauss’ heikle Rolle im „Dritten Reich“ zwar mehrfach und aus unterschiedlicher Perspektive beleuchtet, letztlich aber doch nur gestreift; das insgesamt positive Bild des politisch als relativ unbedarft dargestellten Komponisten bleibt weitgehend unbeschädigt. Wer indessen eine im besten Sinn unterhaltsame Darstellung ohne wirkliche Problematisierungen sucht, der wird hier bestens bedient.
Georg Günther
Stuttgart, 08. 07.2014