Hannemann, Jörg: Der Konzertagent. Roman – Berlin: Berlin University Press, 2013. – 149 S.
ISBN 978-3-86280-056-8: € 19,90 (geb.)
Ein unter einer bipolaren Störung leidender Nihilist, der orientierungslos und unverstanden durch die kleinbürgerliche Tristesse Niedersachsens taumelt und mehr versehentlich denn aus Berufung zum Konzertagenten wird, ist der Held in Jörg Hannemanns neuem Roman „Der Konzertagent“. Dieser Held namens Heinrich Glöde ist kein gänzlich unbekannter mehr: Hannemann führte ihn bereits in seinem 2012 erschienenem Roman Die Wärme des Körpers der Frau Pietsch als den widersprüchlichen Protagonisten bei der Leserschaft ein, als der er auch nun wieder in Erscheinung tritt.
Ungebildet aus Prinzip und Revolte, aber intelligent und belesen, bewegt sich Heinrich Glöde mit einer schlafwandlerischen Gleichmut und letztlich unfähig zu tieferen sozialen Bindungen in einer Gesellschaft, von der er nicht Teil ist, die ihm letztlich fremd und unverständlich bleibt und zu der er nur gelegentlich durch eine gewisse, mehr analytische Form der Sensibilität eine Brücke zu schlagen vermag, die jedoch bereits unter geringfügigen Erschütterungen wieder einzubrechen droht. Selbst zwischenmenschliche Erscheinungen wie Zuneigung oder gar Liebe bleiben seltsam unpersönliche Phänomene, die Glöde zwar gelegentlich streifen, jedoch nicht wirklich zu ihm durchzudringen vermögen. Umso fremdartiger erscheint ihm so die Welt der Berufsmusiker, von denen er als unerfahrener Konzertagent ohne weitreichende Kontakte nur weitgehend erfolglose VertreterInnen zu betreuen hat. Dieser Aufgabe widmet er sich jedoch mit einer Geduld und Hingabe, die zunächst nicht zu erwarten gewesen wäre – gewürzt mit einer gehörigen Portion Naivität, die ihn in seiner unbeholfenen Fürsorglichkeit zielsicher in so manches Fettnäpfchen führt.
Oft gelingt es Hannemann durchaus, den Charakter seines Protagonisten, aus dessen direkter, persönlicher Perspektive die Begebenheiten aus dem Konzertbetrieb der eher unteren Liga geschildert werden, mit Witz und Ironie zu erfassen und seiner Leserschaft zu vermitteln, sodass der permanent larmoyante Tonfall Heinrich Glödes eines gewissen Charmes nicht entbehrt. Mühsam wird hingegen der Holzhammerhumor der geschilderten Anekdoten, die ohne Kompromiss jedes nur denkbare Klischee bedienen, angefangen bei der Trinkfestigkeit von Blasmusikern über die Eigenarten osteuropäischer Musiker bis hin zu zweifelhaften Kommentaren zu Frauenorchestern und Komponistinnen, die mit der Thematik befasste ForscherInnen fraglos unmittelbar auf die Barrikaden treiben würde: „Wen gibt es denn? Clara Schumann, Fanny Mendelssohn, aber weiter?“ (S. 139)
–Es stimmt: Nichts von dem, was der Autor seine Hauptfigur da schildern lässt, sollte unreflektiert, ungefiltert aufgenommen und akzeptiert werden. All diese Klischees werden nicht versehentlich bedient, sondern sehr bewusst in einer schaukastenhaften Aneinanderreihung wie in einem Kuriositätenkabinett. Jörg Hannemann provoziert, und er tut dies äußerst ausgiebig. Vielleicht zu sehr. Eine permanent sich wiederholende Provokation ist keine mehr, sie wird redundant, schließlich fade, bis man sich als Leser irgendwann enerviert fragt, ob das nun alles gewesen sein soll. Da hilft auch Jörg Hannemanns etwas bemüht an Thomas Mann gemahnender, an sich aber sehr schöner Schreibstil nicht mehr: Was gut begonnen hat, verliert über die Seiten mehr und mehr an Reiz. Am Ende freut man sich, dass das Buch ein Büchlein ist und in seiner Kürze immerhin einige erfreuliche Lesemomente liegen, wenn auch zu hoffen bleibt, dass Hannemanns weniger mit den Vorgängen hinter den Kulissen befasste Leserschaft durch die Lektüre nicht so abgeschreckt ist, dass sie jegliches Konzert (und jegliche Bekanntschaft mit Musikern) in Zukunft meidet.
Michaela Krucsay
Leoben, 18.09.2013