Eva Weissweiler: Erbin des Feuers. Friedelind Wagner [Peter Sommeregger]

Weissweiler, Eva: Erbin des Feuers. Friedelind Wagner – Eine Spurensuche – München: Pantheon, 2013. – 368 S.
ISBN 978-3-570-55190-5 : € 14,99 (brosch.)

Gerade einmal acht Monate liegen zwischen dem Erscheinen von Eva Riegers und Eva Weissweilers Friedelind-Wagner-Biografien. Das fordert einen direkten Vergleich heraus.
Konnte sich Rieger auf den umfangreichen schriftlichen Nachlass stützen, blieb Weissweiler der Zugang dazu verwehrt. Mit großer Offenheit bekennt sie, daher das „Konkurrenzbuch“ auch als Quelle verwendet zu haben. Zunächst fällt auf, dass Riegers Buch gut hundert Seiten umfangreicher, und mit zahlreichen Fotos ausgestattet ist. Weissweiler greift biografische Details auch aus Winifred Wagners Leben auf, wobei man schnell über zwei nicht unbedenkliche Textstellen stolpert: einmal wird über einen möglichen Missbrauch Winifreds als Kind spekuliert, sogar der mutmaßliche Täter benannt, dies aber ohne einen zwingenden Beleg. In der Folge werden intime Treffen Winifreds mit Adolf Hitler geschildert, als hätte die Autorin die sprichwörtliche Lampe gehalten. Auch hier bleibt sie eine Quellenangabe schuldig. Ansonsten geht die Autorin meistens sehr akribisch mit der Kennzeichnung von Zitaten und der Nennung ihrer Quellen um. Die umfangreiche Liste der Quellenwerke entspricht in weiten Teilen der Auflistung Riegers. Weissweiler rechtfertigt sich in der Einleitung ihres Buches, Vieles nachrecherchiert zu haben, aus anderen Quellen geschöpft zu haben, andere Zeitzeugen zu Rate gezogen zu haben – und doch ist es ein ähnliches, allzu ähnliches Buch geworden. Naturgemäß konnte Weissweiler Friedelind Wagners Biografie nicht neu erfinden, und die Versuchung, das bereits vorliegende Konkurrenzwerk als Gerüst zu benutzen, war sicherlich groß.
Weissweiler hatte im Jahr 1994 eine kommentierte Neuausgabe von Friedelind Wagners umstrittenen Buch Nacht über Bayreuth vorgelegt. Im ursprünglichen Text des Kommentars waren der Autorin wohl nicht unwesentliche Fehler unterlaufen, die zu einer nachhaltigen Verstimmung bei Neill Thornborrow, dem Nachlassverwalter Friedelind Wagners, führten. Dies war letztlich wohl auch der Grund, Weissweiler den Zugang zum Nachlass zu verwehren und sie damit einer der wichtigsten Quellen zu berauben. Geschickt nutzt sie den gewonnenen Spielraum, um stellenweise etwas leger und spekulativ über die “Leerstellen“ hinweg zu schreiben. Ihr Stil ist durchaus locker, gut lesbar, aber man ertappt die Autorin immer wieder beim Spekulieren, und dabei, Behauptungen als gesicherte Fakten auszugeben. Allzu flüchtig werden die letzten Lebensjahre behandelt, auch sachliche Flüchtigkeitsfehler sind zu monieren: so wird Enrico Caruso flugs zum Heldentenor ernannt, der Bariton Herbert Janssen zum Tenor erklärt. Kleine Sünden, sicherlich, aber sie schmälern die Verlässlichkeit des Buches natürlich zusätzlich. In einer Biografie sollten eigentlich auch Bilder der behandelten Person zu finden sein, hier muss man mit dem Titelblatt vorlieb nehmen. Schuldig bleibt uns Weissweiler auch ein zusammenfassendes Fazit der Friedelindschen Vita, wie Eva Rieger es in ihrem Buch ausführlich und einfühlsam zieht. Mag sein, dass Weissweilers Buch über Strecken leichter, amüsanter zu lesen ist. Trotzdem muss sich die Autorin die Frage gefallen lassen, warum sie ohne Not und mit nur eingeschränktem Zugang zu wichtigen Quellen so schnell ein „Konkurrenzwerk“ publiziert hat.

Peter Sommeregger
Berlin, 17.05.2013

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Biographie, Rezension, Wagner, Friedelind (1918-1991), Wagner, Richard (1813-1883), Wagner, Siegfried (1869-1930), Wagner, Wieland (1917-1966), Wagner, Winifred (1897-1980), Wagner, Wolfgang (1919-2010) abgelegt und mit , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.