Rosa Reitsamer: Die Do-it-yourself-Karrieren der DJs [Rebecca Berg]

Reitsamer, Rosa: Die Do-it-yourself-Karrieren der DJs. Über die Arbeit in elektronischen Musikszenen. – Bielefeld: transcript, 2013. – 258 S. (Studien zur Popularmusik)
ISBN 978-3-8376-2323-9 : 29,80 € (geb.)

Selbst ist der bzw. die DJ! Rosa Reitsamer betrachtet in ihrem Buch Die Do-it-yourself-Karrieren der DJs erfolgreiche Discjockey-Persönlichkeiten und ihre Karrieren ganz genau. Rosenheimer, die sich schon in ihrer Dissertation intensiv mit demselben Thema auseinandersetzte, lehrt Soziologie an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Musik-, Kunst- und Jugendsoziologie, Cultural Studies und Gender Studies – unschwer auch in diesem Buch zu erkennen.
In vier Kapiteln legt die qualitative Studie dar, wie schwierig es unter Umständen sein kann, ein/e erfolgreiche/r DJ zu werden. Ausgestattet mit jeder Menge Quellen und Zitaten, die alle feinsäuberlich belegt sind – vor Plagiatsvorwürfen muss sich Reitsamer gewiss nicht fürchten –, startet der/die Leser/in in die ersten beiden Kapitel „Zum Stand der Forschung“ und „Theoretischer Rahmen. Wer sich darin fleißig die Grundkenntnisse angeeignet hat und noch genug Elan für den methodischen Rahmen im dritten Kapitel hat, hat jedenfalls das beste Rüstzeug für den vierten Teil ab Seite 69, die „Darstellung der Untersuchungsergebnisse“, mitbekommen.
Ausgehend von Forschungen zu Jugendkulturen und Kulturarbeitsmärkten mit Bezug auf Pierre Bourdieus Theorie der kulturellen Felder werden drei Wiener Szenen genauer unter die Lupe genommen: Techno, Drum ’n‘ Bass und experimentelle elektronische Musik. Dort sucht die Autorin nach Motivation, Vorgehensweise und zentralen Tätigkeitsbereichen der Plattenleger. Doch Achtung: Ab hier wird es auch für Nicht-Soziologen spannend. Denn entgegen der oft kursierenden Meinung, erfolgreiche Musiker/innenkarrieren basierten auf Talent, stellt Reitsamer die These auf, dass erfolgreiche Karrieren der DJs im Wesentlichen von deren Biografie und Selbstvermarktung abhingen. Und tatsächlich demonstrieren die Befragten durch die Bank eine Verantwortlichkeit für ihr Leben und legen Kreativität in der Organisation an den Tag. Denn die Entstehung eines „DJ-Profils“ kommt nicht von ungefähr. Sie akquirieren ihre Auftritte bei Szene-Events genauso in Eigenregie wie ein geeignetes Plattenlabel, das für die Veröffentlichung ihrer Musikstücke von Nöten ist. Ihre Lernpraxis besteht in erster Linie aus „Learning by Doing“, eine Ausbildung in diesem Zweig wird von den meisten Befragten auch heute noch als unnötig erachtet.
Neben kulturellem Kapital ist für den Erfolg auch soziales Kapital ein entscheidender Trumpf für den Karriereverlauf. Das gut funktionierende Netzwerk ist ein entscheidender Faktor. An dieser Stelle, wie auch immer wieder an anderen in diesem Buch, zeigt Reitsamer die Gegensätze in den unterschiedlichen Musikszenen von Frauen und Männern auf. Denn nach wie vor scheint die vorherrschende Meinung zu sein, dass nur männliche DJs auch „gute“ DJs seien. Frauen sähen sich häufiger mit Ausschlüssen konfrontiert als Männer und erführen unter anderem „Stereotypisierung“. Wichtig für sie alle, egal ob Mann oder Frau, ist jedoch ihre fortwährende Produktivität, die eine zentrale Bedeutung einnimmt. Rosa Reitsamer bringt es zum Schluss auf den Punkt: „Meine Ergebnisse zeigen, dass DJs ein neues Verständnis von Erfolg und Selbstverwirklichung entwickeln, das dem Bourdieuschen Konzept von Heteronomie und Autonomie als strukturierende Prinzipien der kulturellen Felder widerspricht. Ihr Spaß, ihre Berufung zur Musik und ihre Leidenschaft für die DJ-Tätigkeit und die Musikproduktion scheinen sie neoliberale Arbeitsverhältnisse mit langen Arbeitszeiten und eine Eingliederung in den postfordistischen Produktionsapparat ohne längere Pausen nicht nur inkorporieren, sondern häufig auch idealisieren zu lassen (S. 232, Resumee und Ausblick).
Fazit: Anhand der unterschiedlichen Biografien und Selbstpräsentationen ihrer Interviewpartner hat die Autorin es geschafft, die verschiedenen Typen der Künstlerpersönlichkeiten herauszuarbeiten. Wer den/die DJ aus soziologischer Sicht erleben und bewertet sehen möchte, hat mit diesem Buch einen Glücksgriff getan. Und vielleicht hilft es uns sogar, beim nächsten Club-Besuch, die Verhaltensweisen der arbeitsamen Aufleger besser deuten zu können.

Rebecca Berg
Frankfurt/Main, 12.05.2013

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