Händels Opern / Hrsg. von Arnold Jacobshagen und Panja Mücke. – Laaber: Laaber, 2009. – XVI, 483 + 483 S.: Abb. (Das Händel-Handbuch ; 2)
ISBN 978-3-89007-686-7 : € 172,00 (geb.)
Das hat es bislang noch nicht gegeben: eine umfassende musik- und theaterhistorische Darstellung des gesamten Bühnenschaffens Georg Friedrich Händels in deutscher Sprache. Nach dem Grund für dieses Fehlen muß niemand lange suchen, er liegt auf der Hand. 42 Opern, dazu 14 Pasticci, Bearbeitungen und Fragmente – angesichts dieser schieren Masse an Werken, an Schöpfungen, die zudem wissenschaftlich längst nicht umfassend erschlossen sind, droht forscherlicher und publizistischer Mut zu sinken, noch ehe an die Bewältigung der Herkulesaufgabe, dieses gewichtige Teiloeuvre Händels durchdringend zu erkunden, überhaupt gedacht wird. Wie skeptisch auch immer jemand dem Jubiläums(un)wesen im Kulturbetrieb gegenüberstehen mag, dessen gelegentliche Früchte zu leugnen wäre ungerecht. Denn das im Laaber-Verlag erscheinende Händel-Handbuch ist zweifellos der Absicht geschuldet, im Gedenkjahr 2009 ein verkaufsträchtiges Produkt auf den Markt zu bringen, aber diese keineswegs unehrenhafte Motivation barg die willkommene Chance, unser Wissen über Händels Leben und Werk insgesamt, damit auch über seine Opern, in einer Zusammenschau überblickbar zu bündeln.
Das Ergebnis ist beeindruckend. Die beiden Teile des zweiten Bandes halten tatsächlich, was sie versprechen. Die erste Hälfte liefert einen tour d’horizon durch die Welt der Ideen und Wirklichkeiten, in der sich Händels Bühnenschaffen abgespielt hat. Unter den Leitbegriffen „Schauplätze“, „Kontexte“, „Strukturen“ sowie „Rezeption und Interpretation“ bieten nicht weniger als dreißig Kapitel panoramatische Blicke etwa auf den europäischen Kontext der Händel-Oper insgesamt sowie auf dessen lokale Konkretionen Hamburg, Rom, Florenz, Venedig und London. Produktionsbedingungen werden ebenso ausführlich thematisiert wie die sprachlichen, musikalischen und gestischen Mittel, über deren Anwendung Händel in unvergleichlicher Virtuosität gebot. Der Wirkungsgeschichte der Opern gehen sieben Beiträge nach, erhellen die Überlieferungs- und Editionssituation, die verschiedenen „Händel-Renaissancen“, oder betreiben Tonträger-Archäologie. Nach diesen monographischen Ausführungen folgt im zweiten Teilband ein veritabler Opernführer. Jedes Werk erhält einen eigenen Artikel, in chronologischer Anordnung vom 1705 herausgebrachten Hamburger Bühnenerstling Almira, Königin von Kastilien HWV 1 bis zum Abschiedswerk, dem Melodramma Deidamia HWV 42, das 1741 in London Premiere hatte. Mit gleicher Intensität wird das Dickicht der Pasticci gelichtet. Stets bietet ein „Datenkopf“ Angaben zu Gattungsbezeichnung, Aktzahl, Datum, Theater und Ort der Uraufführung, Textdichter, Personenverzeichnis mit Stimmfächern und Orchesterbesetzung. An ihn schließen sich jeweils eine ausführliche Inhaltsangabe sowie ein Kommentar an.
Den beiden Herausgebern ist es überzeugend gelungen, für das Händel-Opernhandbuch eine angemessene Konzeption zu entwerfen und die Schar der 37 Autoren so zu koordinieren, daß ein in sich stimmiges, weil in seinen vielen Einzelbeiträgen weitgehend aufeinander abgestimmtes Kompendium entstanden ist. Der zweite Teilband wird, so darf man vermuten, bald als Sonderausgabe erscheinen und so dem interessierten Opernfreund, dem an musikhistorischen Explikationen weniger gelegen ist, als Vademecum dienen. Es ist ihm uneingeschränkt zu empfehlen.
Ulrich Konrad
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 30 (2009), S. 333f.