Christian Thielemann: Mein Leben mit Richard Wagner [Peter Sommeregger]

Thielemann, Christian: Mein Leben mit Richard Wagner. Unter Mitarbeit von Christine Lemke-Matwey – München: C.H.Beck, 2012. – 320 S.: Abb.
ISBN 978 3 406 63446 8 : € 19,95 (geb.); auch als e-Book erhält.

Christian Thielemann (*1959) gilt weltweit als einer der führenden Dirigenten. Schier endlos ist die Liste der Opernhäuser und Konzertsäle, in denen er schon seit den 90er-Jahren Triumphe feiert. Einen Schwerpunkt bilden dabei die Bayreuther Festspiele, aber nicht nur dort gilt er als Spezialist für die Deutsche Romantik, und ganz speziell für das Werk Richard Wagners.
Die schon früh im Elternhaus geweckte Liebe zu dem Werk des Meisters findet nun Niederschlag in diesem Buch, das seinen Ursprung in langen Gesprächen und Interviews mit der Journalistin Christine Lemke-Matwey hat.
Vom Beginn der Lektüre an irritiert der ständige Wechsel zwischen ernsthafter Betrachtung und mehr als legerer Ausdrucksweise. Thielemann gliedert das Buch in drei Teile: eine kurze autobiographische Einführung, darauf folgt „Wagners Kosmos“, eine Beleuchtung des Wagnerschen Werks unter historischen, interpretatorischen und allen erdenklichen sonstigen Aspekten. Über weite Strecken fragt sich der Leser, ob er das eigentlich alles wissen will. Da wird auch der häufig beim Ehepaar Wagner in Bayreuth servierte Wurstsalat nicht ausgespart oder ähnlichen Banalitäten Raum gegeben. Genau diese Schwankungen des Niveaus machen die Lektüre anstrengend, ist das Buch doch ohnehin schon etwas zähflüssig angelegt.
Immer wieder stößt man aber auch auf Passagen, die höchste Kompetenz beweisen. Die Ausführungen über den Wagner-Gesang und seine gegenwärtige Krise gehören zu den stärksten Momenten des gesamten Buches.
Der dritte Teil schließlich, „Wagners Musikdramen“, nimmt fast die Hälfte des Buches ein, ist aber auch der ärgerlichste Abschnitt. In Form eines Opernführers handelt Thielemann sämtliche 13 Bühnenwerke Wagners in chronologischer Folge ab. Hier wird doch sehr viel altbekanntes Stroh gedroschen, wenngleich der Praktiker natürlich über einen speziellen Bezug zu den Werken verfügt. Gefährlich wird es, wenn Thielemann versucht, sich mit der Philosophie der Werke auseinander zu setzen. “Si tacuisses…!“ sagt schon der Lateiner, nicht ohne Grund.
Insgesamt also eine Enttäuschung, wohl dem Marketing-Aspekt des Wagner-Jahres geschuldet. Vielleicht hätte ein beherzter Lektor ja geholfen.

Peter Sommeregger
Berlin, 28.10.2012

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