Hanns-Peter Mederer: Musikgeschichte Dänemarks [Claudia Niebel]

Mederer, Hanns-Peter: Musikgeschichte Dänemarks. – Marburg. Tectum,, 2012. – 385 S.: zahlr., teilw. farb. Abb.
ISBN 978-3-8288-3019-6 : 34,90 € (kt.)

Hanns-Peter Mederer, Musikwissenschaftler, Germanist und u. a. in der Lehrerfortbildung tätig, hat sich der umfangreichen Aufgabe unterzogen, die nachweislich erste deutschsprachige Musikgeschichte Dänemarks in Buchform zu veröffentlichen. Das Land ist zwar im europäischen Vergleich recht klein (43.000 km², vgl. 41.000 km² Schweiz), hat aber – und das ist das Überraschende – eine überaus komplexe musikalische Vergangenheit und Gegenwart aufzuweisen. Die Informationsdichte des Buches ist dementsprechend hoch. Der Autor rekrutiert einen Großteil seiner Kenntnisse aus einer Vielzahl häufig originalsprachlicher Quellen, die meisten davon Forschungsergebnisse (skandinavischer) Musikforscher zu einzelnen Komponisten, Epochen oder Gattungen, die als Beiträge zu Jahrbüchern, Festschriften oder Kongressberichten publiziert wurden. Es fallen durch die Epochen hindurch einige Namen berühmter Komponisten, die als „Arbeitsmigranten“ in Dänemark wirkten (Schütz, J.A.P. Schulz, Kuhlau) und eine Vielzahl, uns unbekannter, nach Dänemark eingewanderter oder dänisch-stämmiger Komponisten, die im Ringen um Wahrhaftigkeit, Klarheit und Originalität in der Tonsprache ungleich Wertvolles bewirkten, nämlich durch Synthese unterschiedlichster kompositorischer Einflüsse eine von uns als „nordisch“ wahrgenommene Charakteristik des Nationalstils auszubilden, von dem letztendlich Größen wie Mogens Pederson, Diderik (Dieterich) Buxtehude, J.P. E. Hartmann, Niels W. Gade oder Carl Nielsen profitierten.
Die Bedeutung dieses „Nährbodens“ herauszuarbeiten, ist das eigentliche Verdienst des Autors, denn er zeigt, wie das Zusammenwirken der verschiedensten Faktoren wie soziokulturelles oder wirtschaftliches Umfeld, die geographische Lage eines Landes, Kirche und Staatsform die Menschen, ihr persönliches Selbstverständnis und ihr künstlerisches Ausdrucksbedürfnis prägen. Erste handfeste Belege früher Musikausübung finden sich in den bronzezeitlichen Luren, die als erste europäischen Musikinstrumente überhaupt, in großer Anzahl in Dänemark ausgegraben wurden, wenn auch Zweck, Spielweise und –techniken unter Wissenschaftlern noch strittig sind. Die Ausübung religiöser Musik (Messen, Vesperhymnen, Antiphone usw.) in Dänemarks Kirchen ist noch wenig original, geprägt vor allem durch Niederländer und Italiener aber auch durch einen regen Austausch an Musikern, Kompositionen, Instrumenten im gesamten Ostseeraum. Erst mit der Regentschaft König Christians IV. im 17. Jahrhundert gelingt es, sich von solchen Einflüssen zu lösen und zu einer eigenen Tonsprache zu finden. Hier sind vor allem Mogens Pederson zu nennen, der als bedeutendster dänischer Motetten- und Madrigalkomponist gilt und D. Buxtehude, der in Dänemark geboren und die längste Zeit seines Lebens als Organist in Lübeck tätig war, das damals zum Königreich Dänemark gehörte. Die beginnende Emanzipation von kontinentalen Einflüssen und das aufstrebende Bürgertum Ende des 18. Jahrhunderts bewirkten eine Hinwendung zur dänischen Oper (Hartmann), die schließlich einer nationalromantischen Richtung Vorschub leistete, vor allem zu finden im frühromantischen Vokalwerk (Lied, Chor) und einer eigenen Sinfonik (Gade, Nielsen). Spätromantik und Moderne sind gekennzeichnet von politischen und kulturellen Auseinandersetzungen der Künstler mit ihrer Zeit, der Jazz findet ganz eigene Ausprägungen in Dänemark und auch die Frauen-Musikszene wird ausreichend gewürdigt. Biographien der wichtigsten neueren dänischen Komponisten mit Werkanalysen folgen. Mit ausführlichen Registern.

Claudia Niebel
Stuttgart, 24.10.2012

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