Reinhard Mey: Was ich noch zu sagen hätte

Mey, Reinhard: Was ich noch zu sagen hätte / Mit Bernd Schroeder. – Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2005. – 303 S.: m. Fotos
ISBN 978-3-462-03622 : € 19,90 (geb.)
Auch als Taschenbuch: Bergisch Gladbach: Bastei Lübbe, 2007
ISBN 978-3-404-61610-7 : € 8,95 (kt.)

Man sollte sich schon etwas mehr als eine Zigarettenlänge Zeit nehmen, und für ein Glas im Stehn ist es auch zu schade: Eine Flasche guten Rotweins im Sitzen auf einer gemütlichen Couch oder in einem Sessel sollte man schon investieren. Kaum zu glauben, aber wahr: Reinhard Mey, einer der erfolgreichsten Liedermacher in Deutschland, ist am 21.12.2007 65 Jahre alt geworden, und aus diesem Anlaß ist wohl auch die 2005 erschienene Hardcover-Buch unverändert als Taschenbuch herausgebracht worden. Rund 500 Chansons hat der Sänger auf mehr als 50 Alben veröffentlicht. Angeregt durch die Fragen seines Interviewers Bernd Schroeder, gibt Mey einen autobiographischen Rückblick. Die von der Tendenz her chronologischen 18 Kapitel des Buches sind, wie die Reinhard-Mey-Kennerin auf den ersten Blickt feststellen kann, allesamt Chanson-Titel. Sie haben von der Tendenz her eine chronologische Reihenfolge.
Hergestellt in Berlin 1942 wohnt Reinhard Mey heute noch in Frohnau, seit 1972 auf der anderen Straßenseite, schräg gegenüber seinem Elternhaus, mit denen ihn immer ein herzliches Verhältnis verband. Mit elf erhält er Klavierunterricht, mit 13 bringt er sich Trompete im Selbstunterricht bei, mit 14 bekommt er das Instrument, ohne dass man sich Reinhard Mey gar nicht vorstellen kann – die Gitarre. Die vier Jahre ältere Schwester prägt seinen Musikgeschmack durch AFN, amerikanische Unterhaltungsmusik in ihrer ganzen Bandbreite, Popmusik, Jazz, Rockmusik, ist angesagt. Die ersten Mark verdient er sich mit Kneipenauftritten als Mitglied der „Rotten Radish Skiffle Guys“. Reinhard Meys Eltern praktizierten privat deutsch–französische Volkerverständigung mit einem französischen Ehepaar; Reinhard besucht ein deutsch-französisches Gymnasium, wo der Unterricht bilingual erteilt wird. So kommt es, dass er perfekt französisch spricht und später als Frédérik Mey mit seinen eigenen französischen Chansons in Frankreich große Erfolge feiern kann; dort lernt er seine erste Frau Christine kennen, besungen im gleichnamigen Chanson. Nach dem Abitur macht er eine Lehre bei dem Berliner Pharmakonzern Schering. 1964 tritt er zum erstenmal bei den legendären Liedermachertreffen auf der Burg Waldeck mit seinem ersten eigenen Chanson Ich wollte wie Orpheus singen auf. Waldeck, damals von den Medien kaum beachtet, ist heute, im 1968-Gedenkjahr in aller Munde. Die Festivals auf der Burg Waldeck im Hunsrück wurden zur Wiege eines neuen deutschen Liedes, des deutschsprachig-politischen Liedes. Hier traten außer Reinhard Mey F.-J. Degenhard, H. Wader, Hein & Oss Kröher, Floh de Cologne, Christof Stählin, Schobert & Black, D. Süverkrüp und H.-D. Hüsch auf, um nur einige bekannte Namen zu nennen. Der Gattung Chanson und der Gitarre ist Mey treu geblieben. Studioaufnahmen werden mit Orchesterarrangements aufgezeichnet, auf Konzerttournee geht Mey aber nur mit Gitarre, genauer gesagt mit 3 Gitarren, die er abwechselnd spielt, und ich muß ehrlich sagen, dass die Atmosphäre der sterilen Studioaufnahmen einem Vergleich mit den Livemitschnitten nicht standhalten kann.
Die Autobiographie enthält zahlreiche großenteils biographische Liedtexte, die die dargestellten Lebensphasen wahrscheinlich besser als irgendein Kommentar beleuchten. Das Buch portraitiert einen Sänger, der seit vier Jahrzehnten ohne irgendeinen Skandal im Show-Bizz erfolgreich ist? Wenn man das Buch gelesen hat, versteht man, warum. Sich selbst ins Rampenlicht zu stellen, liegt Reinhard Mey fern. Aber auch, wenn er in seinen Liedern eine verlogene Politik und Gesellschaft anprangert, tut er es, wie eine Kritikerin einmal schrieb, „immer nur so kritisch, dass es niemandem richtig weh tut“.
Für alle Reinhard-Mey-Fans empfohlen, und für Musikbüchereien sowieso – Gute Nacht, Freunde!

Jutta Lambrecht
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 29 (2008), S.387f.

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