Fremdheit – Migration – Musik. Kulturwissenschaftliche Essays für Max Matter

Fremdheit – Migration – Musik. Kulturwissenschaftliche Essays für Max Matter / Hrsg. von Nils Grosch und Sabine Zinn-Thomas. – Münster [u.a.]: Waxmann, 2010. – 424 S.: s/w-Abb. (Populäre Kultur und Musik ; 1)
ISBN 978-3-8309-2284-1; ISSN 1869-8417 : € 34,90 (kart.)

Wenn akademische Lehrer emeritiert werden, ist es durchaus üblich, sie mit einer Festschrift zu ehren. „Festschriften sind ritualisierte Formen des Dankes und der Ehrung, sie sind Teil akademischer Erinnerungskultur“ (S. 9), wie es im Vorwort zur Festschrift für Max Matter (*1945) heißt. Dass die beiden Herausgeber Festschriften auch als ‚Rites de Passages‘ bezeichnen, die also einen Übergang markieren, lässt bereits Rückschlüsse auf das Fachgebiet des Wissenschaftlers, die Volkskunde oder Europäische Ethnologie, zu.
Zu seinem 65. Geburtstag haben Mitarbeiter und Kollegen einen umfangreichen Band mit kulturwissenschaftlichen Essays zusammengestellt, dessen Themen – Fremdheit und Migration – den Mittelpunkt der wissenschaftlichen Arbeit des aus der Schweiz stammenden Hochschullehrers bilden. Als weiterer Schwerpunkt kommt die Musik hinzu, denn Max Matter war nicht nur Ordinarius am Institut für Volkskunde der Universität Freiburg, sondern auch Direktor des dortigen Deutschen Volksliedarchivs.
In dem mehr als 400 Seiten umfassenden Band mit rund zwei Dutzend Essays spiegelt sich die große Bandbreite der Themen, denen sich Matter im Laufe seiner Forschung gewidmet hat. Wie viele Gesichter Fremdheit haben kann, wird schon allein beim Thema Musik deutlich. Dass nicht nur Menschen, sondern auch Musik als fremd und bedrohlich empfunden werden kann, schildert das Beispiel der musikalischen Revolution der 1960er Jahre in den USA, als man durch Rock’n’Roll, Jazz und Folklore, allesamt von afrikanischen Rhythmen beeinflusst, eine politische Unterwanderung befürchtete.
Ebenso lohnenswert ist es, etwa den Spuren zu folgen, die eine Verkehrsrevolution wie die Erfindung der Eisenbahn im Liedgut hinterlassen hat. Wie anschaulich dargestellt wird, drücken die Eisenbahnlieder das ambivalente Verhältnis der Menschen des 19. Jahrhunderts gegenüber dem technischen Fortschritt aus, sie spiegeln Lob ebenso wie Skepsis und Zerrissenheit.
Wiederum eine andere Facette beleuchtet eine „spezifische Form temporärer Arbeitsmigration“ (S. 274), wie sie deutsche Wanderkapellen praktizierten. Um den wirtschaftlichen Nöten in ihrer Heimat zu entkommen, zogen die „German Bands“ in den Sommermonaten vor allem durch Großbritannien, wo sie bis zum Ersten Weltkrieg sehr erfolgreich waren.
Obwohl alle Essays natürlich wissenschaftliches Niveau erfüllen, ausführliche Anmerkungen und Literaturhinweise enthalten, sind viele allgemein verständlich geschrieben. Deshalb sei die Festschrift auch Nicht-Fachleuten empfohlen, zumal die eher unbekannten musikalischen Themen bei vielen Leserinnen Interesse wecken werden.

Friedegard Hürter
zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 32 (2011), S. 202f.

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