Bernhard Morbach: Die Musikwelt der Renaissance

Morbach, Bernhard: Die Musikwelt der Renaissance. Neu erlebt in Texten, Klängen und Bildern. – Kassel [u.a.]: Bärenreiter, 2006. – 257 S.: Notenbeisp., Abb., CD-ROM
ISBN 3-7618-1529-8 : € 24,95

Nunmehr liegt der zweite Band von B. Morbachs Epocheneinführungen vor, der konzeptionell ähnlich wie der Mittelalter-Band vorgeht. Was jedoch dort noch als leserfreundlich niedrig angesetzte Schwelle zur Beschäftigung mit eher fernliegender Musik einlud, wirkt hier weniger überzeugend. Das größte Manko stellen – wie bereits im Mittelalter-Band beobachtet – die sehr ausführlichen wörtlichen Zitate aus Forschungsliteratur (darunter sehr häufig MGG-Artikel) dar, die statt einer eigenen Darstellung des Autors wie hörfeature-artige Einblendungen eingeschoben werden, womit Morbach die Entwicklung einer eigenen Geschichtserzählung eher vermeidet. Besonders auffällig ist das beispielsweise im einführenden Kapitel, in dem der Autor die – in der Tat existierenden – Definitionsprobleme von (musikalischer) Renaissance behandelt, zu denen v.a. Abschnitte aus MGG, Neuem Handbuch der Musikwissenschaft und Großem Ploetz wiedergegeben werden. Nach den einleitenden Kapiteln zur Epochenabgrenzung, höfischer und Festkultur folgen Kapitel zu den wichtigsten Gattungen (Messe, Motette, mehrstimmiges Lied, Instrumentalmusik). Die beiliegende CD-ROM enthält wie im vorhergehenden Band sowohl eine Auswahl der im Buch erwähnten Kompositionen im Notentext (einige davon wiederum als Klangbeispiele in Midi-Dateien, was trotz brauchbarer Klänge für die Vokalmusik wenig überzeugend wirkt, zumal die Mehrzahl der Stücke in CD-Aufnahmen einigermaßen gut zugänglich ist) als auch Texte: 50 Komponistenbiographien, eine nach den Kapiteln geordnete Diskographie und ein ‚Bonus-Kapitel‘ Platonismus und Kosmologie – diese Aspekte hätten es als zentrale Grundlagen der zeitgenössischen Musikauffassung durchaus verdient gehabt, auch im gedruckten Text behandelt zu werden. (Weshalb der Autor Fludd in der Kapitelüberschrift mit Vornamen ‚Ruber‘ heißt, später aber ‚Robert‘, erfährt der Leser nicht). Hinzu kommt eine deutsche Übersetzung des Ordinarium Missae, die allerdings P.-G. Nohls Buch Lateinische Kirchenmusiktexte (Kassel 1996) entnommen ist. Bedauerlich sind jedoch die sehr sparsamen Lektürehinweise und besonders der völlige Verzicht auf fremdsprachige Fachliteratur (in den Kapitelanmerkungen werden sehr häufig nur CD-Booklets zitiert; auch im Platonismus-Kapitel wird neben Biographien und Quellentexten als Sekundärliteratur nur Umberto Eco zitiert). So entsteht eine Einführung, die trotz des auch hier spürbaren Engagements des Verfassers eher auf die Vermittlung von Handbuchwissen als auf eine historiographisch originelle Darstellung zielt und vielleicht eher für Schüler und Laien nützlich ist. Immerhin werden die wichtigen Themen mit angemessenem Problembewußtsein angesprochen; zudem wird eine umfangreiche Materialsammlung zur Verfügung gestellt.

Inga Mai Groote
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 27 (2006), S.295f.

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