Hanns Eislers Johann Faustus. 50 Jahre nach Erscheinen des Operntextes 1952

Hanns Eislers Johann Faustus. 50 Jahre nach Erscheinen des Operntextes 1952. Symposion / Hrsg. von Peter Schweinhardt – Wiesbaden: Breitkopf & Härtel, 2005. –156 S. : Notenbeisp., Abb. (Eisler-Studien ; 1)
ISBN 3-7651-0381-0 : € 17,00 (kt.)

Langsam wird es sich im wiedervereinigten Deutschland herumsprechen, daß Hanns Eisler (trotz der problematischen Rezeption in beiden Teilen Deutschlands nach dem 2. Weltkrieg) einer der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts in der Nachfolge Schönbergs war. Daß er nicht nur Solo- und Chor-Lieder, Schauspiel- und Filmmusiken sowie intime Kammermusik schrieb, sondern auch mehrere Versuche auf dem Gebiet des Musiktheaters unternahm, läßt sich am markantesten an seinem Libretto für eine nie komponierte Oper mit dem Titel Johann Faustus zeigen. Diesem Operntextbuch (und einigen dazugehörigen kompositorischen Entwürfen) war ein Symposion gewidmet, das zum 50. Jahrestag seines ersten Erscheinens (1952 im Aufbau-Verlag) stattfand. Daß Eisler dem politischen Irrtum unterlag, ausgerechnet mit der Gruppe um Ulbricht ließe sich ein demokratischer und sozialistischer Staat machen, mußte er teuer mit der Unterdrückung seiner künstlerischen Produktion bezahlen. Die Rezeption seines Librettos zu seiner Faust-Oper steht bis heute im Schatten einer 1953 von kunstfeindlichen Parteiapparatschiks in der Mittwochsgesellschaft der Berliner Akademie der Künste entfesselten unsäglichen „Debatte“, die zum Verbot des Werkes auf dem Boden genau jenes Staates führte, von dessen Existenz sich Eisler eine weitere Entfaltung seiner künstlerischen, an den „Interessen des Volkes“ orientierten Produktivität erhoffte.
Das 1983 und 1996 nachgedruckte Libretto ist eine geistreiche Satire auf einen volksfremden deutschen Intellektuellen-Typus. Es ist der Vorteil des hier besprochenen Sammelbandes, der die Vorträge auf einem Symposion der Berliner Akademie der Künste im Jahre 2002 zusammenträgt, daß er sich zu mehr als der Hälfte mit diesem Libretto und den archivierten Kompositionsentwürfen Eislers befaßt und weniger mit der bisher alles überdeckenden Debatte, die nur zeigt, wie sehr die Kunstdoktrin der SED denen der Vorgängerdiktatur ähnelte (Verteidigung eines nationalen Kulturerbes gegen „zersetzenden, kosmopolitischen Formalismus“), ablesbar an den Beiträgen von Maren Köster und Anne Hartmann. Selbst die positive Stilisierung der Eislerschen Faustus-Oper zu einer „neuen deutschen Nationaloper“, wie Gerd Rienäcker sie betreibt, bleibt im Bannkreis dieser Eislers Absichten deformierenden Debatte.
Peter Schweinhardt überblickt Eislers Anläufe zu musiktheatralischen Werken. Frederike Wißmann erörtert Eislers Textbuch im Rahmen einer Librettohistoriographie und Tobias Faßhauer stellt die Kompositionsentwürfe Eislers vor. Michael von Engelhardts Beitrag erläutert Eislers Rückgriff auf die plutonische Unterwelt und auf den Atlantis-Mythos, mit dem er die Faust-Figur in den Zusammenhang der Entdeckung einer Neuen Welt stellte.

Peter Sühring
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 27 (2006), S.293f.

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