Katrin Losleben: Musik, Macht, Patronage: Kulturförderung als politisches Handeln im Rom der Frühen Neuzeit am Beispiel der Christina von Schweden (1626–1689) [Claudia Niebel]

Losleben, Katrin: Musik, Macht, Patronage: Kulturförderung als politisches Handeln im Rom der Frühen Neuzeit am Beispiel der Christina von Schweden (1626–1689). – Köln: Dohr, 2012. – 244 S.: 12 farb. Abb., Notenbsp. (Musicolonia ; 9)
ISBN 978-3-936655-96-4 : 32,80 € (geb.)

Es gibt viele Titel aus jüngerer Vergangenheit wie Musik, Macht, Politik (G. Budde, 2010), Musik, Macht, Staat (S. Mecking, 2011) oder Musik, Macht, Missbrauch (M. Demuth, 1999) – um nur einige zu nennen – die programmatisch zeigen, wie sehr Musik im politischen Kontext zweckgebunden instrumentalisiert wird. Der Patronage-Diskurs in der Musik wird seit ungefähr 20 Jahren geführt und ist häufig ein dankbares Dissertationsthema. Katrin Losleben untersucht in ihrer Dissertation an der Hochschule für Musik und Tanz Köln diesen Zusammenhang am Beispiel der abgedankten schwedischen Königin Christina, die durch ihr Mäzenatentum in Rom ihrer “Hofhaltung“ ganz bewusst machtkonstituierende Züge verlieh. Sie war die einzig überlebende Tochter Gustav Adolfs von Schweden und der Prinzessin Marie Eleonore von Brandenburg. Ihr Vater fiel 1632 in der Schlacht von Lützen im Dreißigjährigen Krieg; die Regierungsgeschäfte übernahm bis zu ihrem 18. Geburtstag im Jahr 1644  der schwedische Regentschaftsrat unter Leitung des Kanzlers Axel Oxenstierna, der als mächtiger Kopf auch bei der Abdankung und Nachfolgeregelung 1654 (ihr Vetter Karl Gustav von Pfalz-Zweibrücken wurde nach ihr König) die Fäden zog. Als Königin förderte Christina die Künste, stand mit vielen Gelehrten in intensivem Briefkontakt und berief u. a. René Descartes nach Stockholm. Die Hinwendung zu Frankreich als kontinentalem Verbündeten spiegelte sich in der Hofkultur wider, Christina zog viele französische Künstler, vor allem Musiker für die Hofkapelle nach Schweden. Die Pläne zur Konversion, die sie nach der Abdankung umgehend umsetzte, verfolgte sie konsequent. Die Gründe für Konversion und Abdankung (und auch, welches von beiden Ursachen und welches Wirkung war) ist unter Historikern strittig, fest steht allerdings der enorme Nutzen für die Rekatholisierungspolitik des Papstes, der sich und die Kirche durch die Expansion des protestantischen schwedischen Nationalstaats gedemütigt sah.
Losleben zeigt durch ihren interdisziplinär ausgerichteten Ansatz schlüssig die Verflechtung von Politik und Kultur, die, eingebettet in ein bestimmtes soziales Klima, der abgedankten Königin auch weiterhin Machtausübung sicherten. Christina behielt in Rom zeitlebens ihren souveränen fürstlichen Status bei. Eine üppige Leibrente garantierte ihre Unabhängigkeit und ermöglichte es, ihren musikpolitischen Einfluss ungehindert geltend machen zu können, mit Liebhaberei hatten ihre Kulturambitionen nichts mehr zu tun. Losleben sieht den Beweis hierfür in der Tatsache, dass Christina sich von Rom aus gezielt um mindestens fünf (katholische) Königreiche bewarb. Die Machtsicherung fand ihren Niederschlag in der Schaffung idealer Rahmenbedingungen sowohl struktureller als auch institutioneller Art: private Orchester, Musikakademien, Operntheater (das Teatro Tordinona unterstand ihrer Leitung), Instrumenten- und Musikaliensammlungen wurden eingerichtet, Komponisten wie Corelli oder A. Scarlatti engagiert und gefördert. Schlüssig dargestellt, multiperspektivisch abgesicherter Denkansatz – mit Gewinn zu lesen!
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Claudia Niebel
Stuttgart, 13.04.2012

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