Felix Mendelssohn Bartholdy: Eintragungen in den „Schreibkalender“ 1836 und 1837 [Peter Sühring]

Felix Mendelssohn Bartholdy: Eintragungen in den „Schreibkalender“ 1836 und 1837 / Hrsg. [...] von Hans-Günther Klein und Peter Ward Jones – Hannover: Wehrhahn, 2009. 92 S.: Abb. (Mendelssohn-Studien. Beiträge zur neueren deutschen Kulturgeschichte; Sonderband 1)
ISBN 978-3-86525-129-9 : € 18,00 (geb.)

Zweimal in seinem Leben erwarb Mendelssohn zum Zwecke der besseren Koordinierung seiner vielfältigen Tätigkeiten und zum Festhalten mancher Dinge, die ihm unverhofft begegnet oder passiert sein mögen, einen damals so genannten „Schreibkalender“. Es muss sich um den letzten Schrei auf dem Schreibwarenmarkt gehandelt haben, der geplagten Geschäftsleuten die Möglichkeit geben sollte, stichwortartig ihre Tage zu planen. Zwar war Mendelssohn kein Geschäftsmann, aber er hatte im Herbst 1835 die Leitung des Leipziger Gewandhauses übernommen und verspürte wohl das Bedürfnis, durch den Besitz eines solchen portablen Kalendariums seine Verpflichtungen und seine Erlebnisse festzuhalten. Vom 17. Januar 1836 bis zum 1. Oktober 1837 reichen seine Eintragungen. Sie lassen vor allem die Dichte und Vielfalt seiner Aktivitäten als Musikorganisator, Dirigent und Komponist in diesen Monaten erkennen, und man fragt sich, wie er bei all diesen Tätigkeiten inkl. der Reisen überhaupt zum Komponieren gekommen ist. Aber in diese Zeit fällt auch die Fertigstellung und Einstudierung des Oratoriums Paulus, das erst für seinen Freund Johann Nepomuk Schelble, den Leiter des Frankfurter Cäcilienvereins bestimmt war, und das er dann selbst in Düsseldorf uraufführen musste. Gleich anschließend übernimmt er für zwei Monate die Vertretung Schelbles in Frankfurt und macht dort wichtige Erfahrungen mit Ferdinand Hiller, Rossini und seiner Tante Dorothea Schlegel, geb. Mendelssohn, der Schwester seines Vaters.
Man ahnt die Fieberhaftigkeit, mit der Mendelssohn lebte und zu Werke ging, und gewinnt einen Einblick in die Art Mendelssohns, sich für die Kunst zu verzehren. Enthüllungen sind hier nicht zu erwarten, aber die authentischen Mitteilungen, auf die jedes biografische Wissen sich stützen muss. Um den Blick auf die allgemeine kulturgeschichtliche Situation, in der Mendelssohn sich befand, zu vertiefen, haben die Herausgeber den feststehenden redaktionellen Teil eines dieser Kalendaria mit abgedruckt: Die Tierkreise, Jahreszeiten, Finsternisse und Zeitrechnungen werden aus damaliger Sicht erläutert und der Geschäftskreis des Königl. Sächs. Ministerial-Departements mitsamt seinen an- und abgehenden Postdiensten. Eine Reihe von Faksimilia zeigen Mendelssohns Eintragungen in Originalgestalt. Dieses Bändchen sollte in keiner privaten oder öffentlichen Bibliothek fehlen, in der man sich auf Felix Mendelssohn und eine möglichst komplette Dokumentation der sein Leben und Werk betreffenden Quellen spezialisiert hat.

Peter Sühring
Berlin, 20.3.2012

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