Christian Ahrens: “Zu Gotha ist eine gute Kapelle…” Aus dem Innenleben einer thüringischen Hofkapelle des 18. Jahrhunderts.

Ahrens, Christian: „Zu Gotha ist eine gute Kapelle…“ Aus dem Innenleben einer thüringischen Hofkapelle des 18. Jahrhunderts. – Stuttgart: Franz Steiner, 2009. – 374 S.: Abb. (Friedenstein-Forschungen ; 4)
ISBN 978-3-515-09236-4 : € 64,00 (geb.)

Das Zitat im Buchtitel entstammt einer Würdigung von 1773 durch den englischen Musikschriftsteller Charles Burney, der die bedeutendsten Musikensembles Europas aus eigener Inspektion kannte; ein Urteil, das sich auch 1782 bei Johann Adam Hiller und später bestätigt findet. In Anbetracht der Tatsache, dass die Quellensituation zur herzoglichen Kapelle von Gotha aufgrund von Korrespondenzen, Rechnungen oder Anzeigen in Zeitungen besonders üppig ist (ganz im Gegensatz zum Notenbestand) und in der Literatur bislang hauptsächlich die erste Hälfte des „langen“ 18. Jahrhunderts (1676–1805) mit den Kapellmeistern Wolfgang Michael Mylius, Christian Friedrich Witt und Gottfried Heinrich Stölzel (1719–49 amtierend) im Mittelpunkt des Forschungsinteresses lag, begibt sich diese Studie nun eben auf Neuland und versucht sogar neue Zugänge in der Art der Fragestellungen in Bezug auf die persönliche und kollegiale Situation der Musiker oder die Verwaltungsvorgänge (Besetzungsmodalitäten) und Fürsorgementalität des Hofes zu gewinnen. Außerdem erfahren wir von seltenem Instrumentarium, mit dem man sich von der Dresdner Hofkapelle, die als einzige in Mitteldeutschland als noch bedeutender und einflussreicher galt, oder zur Konkurrenz in Sondershausen oder Rudolstadt zu distanzieren wusste: gerade auch zu Zeiten eines Georg Benda (1750–1778 in Gotha amtierend), Anton Schweizer oder Franz Anton Ernst, die als die nachfolgenden Kapellmeister zu nennen wären.
Im Wechsel von fundierter Abhandlung, transkribiertem Abdruck von Rechnungsbelegen und amtlichen Schriftstücken sowie an die drei Dutzend Abbildungen (zumeist Archivalien) ergibt sich mithilfe einer erfreulich übersichtlichen Struktur, deren Hauptkapitel auch die Herrschaftsgeschichte von Sachsen-Gotha sowie Bewahrung und Verlust des Kapellinventars oder – einer historisch orientierten Arbeit ungeachtet – Probleme unter Musikern zur Sprache bringen, ein interessantes, detailreiches und schlüssiges Bild vom Geschehen innerhalb der Musikformationen des Gothaer Hofes und dessen Breitenwirkung. Mehrere Tabellen und Register setzen die Weichen durch den Dschungel an fremden Namen und zum Fundus der Quellen und Literatur; eine Art Synopse zur Besetzungsstärke der Hofkapellen in Gotha, Dresden und Mannheim bestätigt dabei die mittlere Stellung derjenigen Gothas in ihrer Leistungsfähigkeit, die außer o.g. nur noch von denen Berlins oder Stuttgarts überboten wurde (S. 324–327).
Die Quellenstudie besticht durch gelungene Streuung der Materialsammlung, durch die Vielfältigkeit neuer Erkenntnisse und beweist mehrfach ihre Notwendigkeit und den Nutzen für die Musikwissenschaft.

Manfred Sailer
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 31 (2010), S. 359

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