Malte Friedrich: Urbane Klänge. Popmusik und Imagination der Stadt

Friedrich, Malte: Urbane Klänge. Popmusik und Imagination der Stadt. – Bielefeld: transcript, 2010. – 336 S. (Materialitäten ; 14)
ISBN 978-3-8376-1385-8 : € 29,80 (kart.)

Die Suche nach den Begriffen „Sound“ und „City“ generiert in einschlägigen Popsong- Datenbanken ansehnliche Ergebnislisten. Wird die Recherche verfeinert, in dem man die abstrakten Wörter durch konkrete Ortsbezeichnungen wie „London“ und „New York“ ersetzt, vervielfachen sich die Treffer. Solch eine unwissenschaftliche Versuchsanordnung  zeigt zumindest, dass es nicht wenige Musiker gibt, die dem urbanen Lebensraum einen individuellen Klang nachsagen. Auch Autoren tun dies, und in der vorliegenden Publikation macht sich der Soziologe Malte Friedrich auf den Weg in den Großstadtdschungel.
Nicht ganz zu Unrecht konstatiert Friedrich im Vorwort, dass der Klang als Diskursthema in Untersuchungen von Soziologen, Stadtforschern und Musikologen eher durch Abwesenheit glänzt. Natürlich gibt es entsprechende Forschungen – für die letztgenannte Disziplin sei hier beispielsweise die Sammlung Sound and the City – Populäre Musik im urbanen Kontext [transcript 2007; mit einem Aufsatz von Friedrich, Rez. s. FM 29, (2008), 96f] genannt – doch rechtfertigen diese einzelnen Arbeiten nicht den Verzicht auf eine detaillierte Auseinandersetzung, die Friedrich nun vorgenommen hat. Der Autor kreist seinen Forschungsgegenstand von mehreren Seiten ein: Ausgehend von der Beschreibung der Stadt als Produktionsstandort wendet Friedrich sich dem urbanen Lebensraum als Standort einer ausgeprägten Konsumkultur zu.
Anschließend richtet der Autor den Fokus auf Punk, HipHop und Techno als Repräsentanten postindustrieller urbaner Musikkulturen. Einen Schritt zurück auf der Zeitleiste unternimmt Friedrich, wenn er im Folgenden die Repräsentationstheorie am Beispiel des Altmeisters Adorno diskutiert.
Enttäuscht werden müssen nun diejenigen Leserinnen und Leser, die nach der kurzen inhaltlichen Einordnung eine Bewertung der Arbeit erwarten. Der Blick über den Tellerrand der Musikwissenschaft ist zwar notwendig, doch wenn des Blickes Ziel zu tief im Topf der Soziologie landet, muss der Rezensent seine Hilflosigkeit eingestehen. Friedrichs Arbeit ist ganz eindeutig eine soziologische Facharbeit, was auch das Erscheinen in der Reihe „Materialitäten“ widerspiegelt, die zum Ziel hat, „die neu entstehende Soziologie von Körper, Bewegung und Raum zu dokumentieren“ (www.transcript-verlag.de). Diese Einschränkung soll jedoch dem Buch keineswegs Unlesbarkeit attestierten. Im Gegenteil: Malte Friedrich beherrscht dankenswerterweise die Fähigkeit, sich verständlich auszudrücken. Die Kapitel über die Repräsentation von Poptexten (S. 168ff) oder die Subversionsstrategie des Punk (S. 132ff) sind Belege dafür. Doch erreicht der soziologische Überbau bisweilen solch komplexe Dimensionen, dass nicht Sprachstil, sondern Vorwissen Erkenntnis brächten. Hinzu kommt, dass manche Diskussion (etwa die Kritik an Adorno) sich zu weit vom eigentlichen Thema wegzubewegen scheint.

Michael Stapper
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 31 (2010), S. 289f.

 

Dieser Beitrag wurde unter Adorno, Theodor W. (1903-1969), Allgemein, Rezension, Sonstiges abgelegt und mit , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.