Georg A. Weth: Marlene Dietrich – Ick will wat Feinet [Claudia Niebel]

Weth, Georg A.: Marlene Dietrich – Ick will wat Feinet. – Berlin: Rütten & Loening, 2011. – 163 S.: Ill. (s/w)
ISBN 978-3-352-00823-8: 14,00€ (geb.)

Hellmuth Karasek hat die 2001 zum 100. Geburtstag bei Rütten & Loening (einer Tochter des Aufbau-Verlages) erschienene Originalausgabe als „erste kulinarische Biographie des einzigen Weltstars, den Deutschland je hervorgebracht hat“ bezeichnet. Man mag zu dieser Kategorisierung stehen wie man will, das Buch jedenfalls ist sehr gelungen. Das ist vermutlich auch der Grund, warum der Verlag just in der Vorweihnachtszeit eine Neuausgabe herausbringt, denn das „etwas andere Kochbuch“ ist das ideale Geschenk. Als der Nachlass der Diva 1993 für acht Millionen Mark an das Land Berlin veräußert wurde, fanden sich unter den zahlreichen Reliquien jede Menge Kochbücher, Rezeptsammlungen, kulinarisch inspirierte Kritzeleien und Notizen in Tagebüchern. Auch in ihrer 1963 erschienenen Autobiographie „ABC meines Lebens“ sind etliche Kochrezepte versammelt. Dass die Dietrich ihre Kochbücher auch benutzt hat, belegen die Fettspritzer und Soßenflecken sowie die ansehnliche Zahl ganz profaner Küchenschürzen, die sie – man kann sich auf diversen Fotos überzeugen – am Herd getragen hat. Auch ist aus Erzählungen ihrer Tochter und von Freunden bekannt, dass Marlene Dietrich gerne viel gekocht und vor allem gut gespeist hat. Dass sie in Hollywood auf dem Set die Filmcrew regelmäßig bekochte, ist geradezu legendär – Liebe geht ja bekanntlich über den Magen, und ihre zahlreichen Liebhaber konnten sich nicht zuletzt auch dieser Gunst erfreuen. Dass die Dietrich kochen lernte, hing mit der Notwendigkeit des Überlebens zusammen, als die Frauen der Familie während des 1. Weltkrieges in Berlin mit Improvisationsgabe, Erfindungsreichtum und wenig Grundnahrungsmitteln (Stichwort Steckrübenwinter) viele hungrige Mäuler sattbekommen mussten. Hieraus erklärt sich auch sicher die lebenslange Begeisterung für Hausmannskost, die im Buch neben ihrem Hang zum Luxus nachzuverfolgen ist. Die Rezepte indes rekrutieren sich aus unterschiedlichen Zusammenhängen und beziehen sich nicht ausschließlich auf das eigene Repertoire der Köchin, sondern auch auf Lieblingsspeisen, die sie sich auf Bestellung zubereiten ließ oder auf Speisenfolgen, die sich anlässlich entsprechender Festlichkeiten, auf Schifffahrten oder zu anderen Anlässen nachweisen ließen. Referenzadresse ist hier Markus Auer, mit 3 Michelin-Sternen dekorierter Küchenchef aus dem Allgäu, der die Diva in ihren letzten Lebensjahren in Paris bekochte und der die im Buch befindlichen Rezepte entweder nachgekocht oder selbst beigesteuert hat.
Das Buch folgt keiner der für Kochbücher üblichen Systematik nach Zweck, Zutaten, Zubereitungsart oder Anlass, sondern der Autor Georg A. Weth (der in Sachen Casanova und Walzerfamilie Strauss lukullisch ebenfalls Lesenswertes zusammengetragen hat) erzählt in 15 Kapiteln Küchengeschichten, Anekdoten und Begebenheiten von kulinarischer Relevanz, entlang derer die Rezepte diverser Suppen, Desserts, Festmenüs, Kuchen oder Eintöpfe zusammengestellt werden. Dass die Abbildungen allesamt schwarz-weiß sind, erscheint angesichts der s/w-Fotos der Diva im Buch schlüssig, auf die Opulenz so mancher Bild-Kochbücher wird bewusst verzichtet, der Fantasie des Lesers sind keine Grenzen gesetzt. Liebevoll gestaltetes, handliches Buch mit Lesebändchen zum erschwinglichen Preis.

Claudia Niebel
Stuttgart, 03.12.2011

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