Christoph Schwandt: Leoš Janáček. Eine Biografie

Leos JanacekSchwandt, Christoph: Leoš Janáček. Eine Biografie. – Mainz: Schott, 2009. – 240 S.: zahlr. s/w-Abb. (Serie Musik ; 8412)
ISBN 978-3-254-08412-5 : € 14,95 (Pb.)
Nicht selten fixieren Verlage, bewusst oder unbewusst, die qualitative Messlatte einer Neuerscheinung durch deren Klappen- und Werbetexte. In eine einschlägige Richtung etwa lenkt Schott den kritischen Rezensentenblick auf die Nr. 8412 seiner Serie Musik, indem er Christoph Schwandts Janáček-Buch als „eine erste ‚griffige’ und dennoch umfassende Biografie des tschechischen Komponisten“ annonciert.
Dass Schwandt, 2002 bis 2009 Chefdramaturg der Oper Köln, Bizet- und Verdi-Biograf, auch anderweitig Garant für fundierte und sprachkompetente Musikpublizistik, ein solches Projekt zum gewünschten Ziel führen würde, steht außer Frage. So erfrischt – trotz einer im Grundriss traditionell chronologisch und linear orientierten Marschrichtung – eine klare, gut lesbare, in Vokabular und Satzbau lebendige Diktion, die im wissenschaftlich-terminologischen Gehalt auch dem Nichtmusikologen keine aufwändige Dechiffrierungsarbeit abverlangt und stilistisch homogen, weil ungekünstelt zeitgemäß und sachlich, dabei nicht unpersönlich daherkommt.
Als Plus kristallisiert sich vor allem die Eignung zur Einstiegslektüre in das hoch individualistische, werkbezogen-idiomatisch inzwischen ja mit mancher Spezialstudie bedachte Phänomen Leoš Janáček (1854–1928) heraus. Was den Lehrersohn aus dem nordostmährischen Hukvaldy ethnografisch-politisch, kulturgeschichtlich, musikpraktisch und -rezeptiv sowie biografisch-psychologisch auf derzeit gängigem, prägnant zitiertem Forschungsstand definiert, erhellt aus einem ganzheitlichen Ansatz und einer bisweilen protokollarisch kleinschrittigen, weil nach maximaler Vollständigkeit strebenden Ereignisfolge. Die dadurch bedingten Rekurse begünstigen Einprägsamkeit und motivieren zur gedanklichen Vertiefung. Momente von Emotionalisierung und subjektivem Erzählerkommentar lugen gleichwohl etwas verstohlen hinter einem Netzwerk von Fakten, Provenienzen, Abläufen und Lokalisierungen hervor.
Weniger plakativ und direkt als episch verwoben erschließt sich damit der Weg vom Brünner Augustinerzögling, ab ovo musikantischen Universalisten, mit Männerchören kompositorisch debütierenden, volkskundlich sammelwütigen Vollblutpädagogen über den streitbaren Publizisten und national ambitionierten Spiritus Rector des mährischen Parts von Brünns Musikleben zum spät arrivierten Vorkämpfer der Moderne, Initiator eines sprachgenerierten Melodieprinzips und Schöpfer konzertanter wie musikdramatischer Schlüsselwerke mit revolutionären Sujets. Schließlich eignen auch der Historie rund um die Agonie des K.u.K.-Systems sowie der Janáčekschen Privatsphäre, beansprucht durch das Zirkulieren zwischen Brünn, Prag, Geburtsort und diversen Kurdomänen, essenzielle Schlüsselimpulse: Ehe und Familie ohne Fortune, Inspirationszufuhr durch außerfamiliäre Musen. Ein Epilog streift nur knapp die Nachhut.

Andreas Vollberg
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 31 (2010), S. 57f.

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