Christina Drexler: Carlos Kleiber … einfach, was dasteht!

Drexel, Christina: Carlos Kleiber…… „einfach, was dasteht!“ – Köln: Dohr, 2010. – 330 S.: zahlr. Abb.
ISBN 978-3-936655-89-6: E 34,80 (kart.)

Zwei Jahre nach Alexander Werner wartet nun auch Christina Drexel mit einem umfangreichen Buch über den Dirigenten Carlos Kleiber (1930–2004) auf. Wie damals Werners Band, ist auch Drexels Buch sehr zu empfehlen. Dem interessierten Leser wird angeraten, sich beide Abhandlungen anzuschaffen. Das lohnt sich nicht zuletzt deswegen, weil beide Bücher unterschiedliche Schwerpunkte aufweisen. Stand bei Werner eine umfangreiche Biographie des genialen Pultgiganten Kleiber im Vordergrund, so ist das Ziel von Christina Drexel „die Annäherung an das Profil der vom Dirigenten geschaffenen Klangkunstwerke aufgrund einer universalen Betrachtung möglichst aller relevanten Aspekte“ (S. 4). Zwar wartet auch sie mit einem kleinen biographischen Teil auf, der Schwerpunkt ihrer Arbeit gilt jedoch der Ergründung des musikalischen Geheimnisses des Dirigenten. „Der unverwechselbare Ausdruck des persönlichen, unnachahmlichen Dirigierstils Carlos Kleibers und sein Interpretationskonzept“ (S. 4) interessieren die Autorin. Diesen Gesichtspunkten spürt sie akribisch nach. Deutlich wird: Carlos Kleiber dirigierte stets das, was in den Noten stand, wobei er sich meistens an den Interpretationen seines gleichfalls dirigierenden Vaters Erich Kleiber orientierte. Genau studierte Kleiber so manche Autographen der verschiedenen Komponisten und zeichnete seine Erkenntnisse minutiös in sein eigenes Notenmaterial ein, das er bei Aufführungen und Konzerten dem jeweiligen Veranstalter zur Verfügung stellte. Seine Interpretationsgrundlage war der Notentext und nicht das, was zwischen den Noten stand. Von einer einmal als richtig erkannten musikalischen Auffassung wich Kleiber zeitlebens nicht mehr ab. Die von Drexel vorgenommenen Vergleiche einzelner Stellen, wie z.B. des Tristan-Vorspiels, ergeben jedoch, dass auch Kleibers Interpretationen im Kleinen oft ein wenig – v.a. tempomäßig – von einander abwichen. Sein Grundkonzept blieb aber immer gleich. Einfühlsam zeichnet die Autorin das Bild eines nicht immer einfachen, sehr selbstkritischen und arbeitseifrigen Dirigenten, der sowohl von der Presse als auch vom Publikum in höchstem Maße geschätzt wurde. Über seine Arbeitsweise geben auch im Anhang abgedruckte Interviews mit Zeitzeugen – fast alle Orchestermusiker – Aufschluss. Interessant ist der Vergleich mit anderen Dirigenten wie z.B. Erich Kleiber, Arturo Toscanini, Wilhelm Furtwängler, Sergiu Celibidache, Artur Nikisch und Richard Strauss – allesamt Kollegen, die Carlos Kleiber als seine Vorbilder ansah.

Ludwig Steinbach
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 31 (2010), S. 273f.

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