Jens Hagestedt: Tausend Träume. Udo Jürgens und seine Musik

Udo JürgensHagestedt, Jens: Tausend Träume. Udo Jürgens und seine Musik. – Wilhelmshaven: Florian Noetzel, 2009. – 200 S.: 12 Bildtafeln
ISBN 3-7959-0898-8 : € 29,80 (kart.)

Hoch im Norden, in Wilhelmshaven, gibt es den Verlag Florian Noetzel. Bei diesem möge ich, so der Wunsch der Redaktion, Tausend Träume von Jens Hagestedt bestel­len. Die Veröffentlichung zu Udo Jürgens solle den spärlichen Informationen zufol­ge das „Buch eines Fans“ sein. Da mir die Rezension eines Fanbuches nach den Feiertagsgenüssen in geistiger Hinsicht bekömmlich erschien, erbat ich ein Exemplar. Das mitgeschickte Verlagsprogramm machte mich stutzig: Von Mathematischen Quellen der musikalischen Akustik war da die Rede, von 100 Jahren Irrwege der Neuen Musik, von Faksimiles und Musikeditionen. Das Querlesen bestätigte den Eindruck: Hier sprach der Autor von „punktierten trochäischen Rhythmen“ (S. 29), dort von „ziepen­den Pralltrillerketten“ (S. 31), an anderer Stelle von „Tonleitern mit herabalterierter 6. und 7. Stufe“ (S. 52). Wenn es sich also tatsächlich um eine von einem Fan verfasste Publikation handeln sollte, brachte dieser sicherlich mehr mit als lediglich die Begeis­terung für sein Idol.
Hagestedt gliedert sein Werk in drei Hauptkapitel, die jeweils mit einer Schaf­fensperiode des Sängers korrespondieren. Der erste, für den Autor künstlerisch wert­vollste Zeitraum endet in den späten 1960er Jahren. Danach folgt eine nach Hage­stedt (trotz kommerzieller Erfolge) unergiebige Phase, an deren Beginn der Wechsel der Plattenfirma und an deren Ende 1977 der des Managers stand. Für die dritte Schaf­fensperiode, in der Jürgens sich zurzeit noch befindet, findet Hagestedt wieder wär­mere Worte. Biografisches, sofern dieses nicht explizit im Werk Niederschlag findet, sucht man in der Publikation vergebens. Der Autor konzentriert sich größtenteils auf die Analyse einzelner Lieder, lässt jedoch immer wieder essayistische Texte einfließen, in denen er sich – sehr subjektiv, aber hochinteressant – zu allgemeinen gattungsspe­zifischen Fragen (Chanson, Lied oder Schlager?) oder der Abgrenzung der U- von der E-Musik äußert.
In seinen Liedanalysen, die kenntnisreich Komposition, Dichtung, Arrangement und Interpretation berücksichtigen, wird der akademische Werdegang Hagestedts (geb. 1958) deutlich. Der Germanist und Musikwissenschaftler, der bereits Veröffent­lichungen zu Walter Benjamin und Glenn Gould vorgelegt hat, arbeitet mit einem konventionellen musikologischen Instrumentarium, das zwar schon lange nicht mehr den Nimbus der Ausschließlichkeit hat, im Falle Udo Jürgens und dessen Verwurze­lung in der tradierten abendländischen Musiksprache aber angewandt werden kann. Auch wenn er mit dieser Methode an Hits wie Griechischer Wein scheitern muss und die Hierarchie von E- und U-Musik (trotz reichlicher Wertschätzung der letzteren) nicht angetastet wird – es bleibt das „Buch eines Fans“. Und ein wertvoller Beitrag zum erfolgreichsten deutschsprachigen Unterhaltungskünstler.

Michael Stapper
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 31 (2010), S. 73f.

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