Christina Fischer: Instrumentierte Visionen weiblicher Macht. Maria Antonia Walpurgis’ Werke als Bühne politischer Selbstinszenierung

Fischer, Christine: Instrumentierte Visionen weiblicher Macht. Maria Antonia Walpurgis’ Werke als Bühne politischer Selbstinszenierung. – Kassel [u.a.]: Bärenreiter, 2007. – 492 S.: Abb., Notenbeisp. (Schweizer Beiträge zur Musikforschung ; 7)
ISBN 978-3-7618-1829-9 : € 49,95

In der Rolle der Maria Antonia Walpurgis als (sächsische Kur-)Fürstin und Komponistin stellt sich die Frage nach weiblichem Schaffen noch einmal in einer besonderen Ausprägung, was sich auch in der Rezeptionsgeschichte ihres Werkes niedergeschlagen hat, die zwischen Abwertung ihres vermeintlichen ‚Dilettantentums‘ und den sich aus rein musikalischen Stiluntersuchungen ergebenden Problematiken angesichts einer hoch kontextualisierten Kunstform schwankt. Die Autorin Christine Fischer wählt hingegen als Ansatzpunkt ihrer Untersuchungen den Aspekt der Selbststilisierung Maria Antonias und damit einen zentralen Punkt der Bedingungen, unter denen höfische Oper entstand, zumal Maria Antonia ihre musikalischen Aktivitäten beispielsweise nutzte, um den sächsischen Anspruch auf den polnischen Thron zu unterstützen. Die Hauptwerke Maria Antonias (das Oratorienlibretto La conversione di Sant’Agostino, die Pastorale Il trionfo della fedeltà und die Oper Talestri, regina delle amazzoni), die zugleich die Sphären der wichtigsten Rollenmodelle des 18. Jahrhunderts abdecken, nämlich religiös, pastoral und heroisch, werden exemplarisch auf ihre Einbindung in ihre Kontexte, Rahmenbedingungen und Intentionen untersucht. Fischer entwickelt an einigen Beispielen auch interpretatorische Ansätze zur musikalischen Faktur, weist aber selbst deutlich darauf hin, daß hier derzeit die schlechte Erschließungssituation der Werke anderer Komponisten noch Grenzen bildet.
Die ausführliche Behandlung der Aufführungsumstände von Maria Antonias Werken in Dresden und München vermittelt eine gute Vorstellung von der konkreten fürstlichen Beteiligung an der Musik. Fischer geht auch auf die ‚aufgeklärteren‘ Züge in Maria Antonias Werken ein, etwa die aus der Poesiereform der römischen Accademie degli Arcadi (der Maria Antonia angehörte) empfangenen Anregungen und die Wandlungen ihrer politischen Selbstdarstellung, die auch den von ihr aufgenommenen aufgeklärten Staatsverständnis und Wertvorstellungen Rechnung tragen. Die Aufnahme von Intermezzi, die – in Anlehnung an die an die Wirkungsweise der Einlagen in Opern – den Verbindungen zum Umfeld exemplarisch nachgehen, bietet gut zu verfolgende Einblicke in die weiterführende Zusammenhänge (z.B. Gottscheds Einfluß, die Beziehung zu Metastasio, aber auch Breitkopfs moderner Notenstich). Das ausführliche Quellen- und Werkverzeichnis bildet eine wertvolle Hilfe. Begrüßenswert ist nicht nur die Perspektive der Untersuchung, die die funktionale Bindung der höfischen Oper erneut ernsthaft in den Blick nimmt, sondern auch die Berücksichtigung von Forschungsmethoden aus den verschiedenen berührten Disziplinen – trotz der von der Autorin vorgebrachten Kautelen, den Ansprüchen nicht in allem gerecht werden zu können, zeigt sich an dieser Arbeit doch, wie vielen Themen gerade dieser Mut zum erweiterten Blick guttut.

Inga Mai Groote
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 28 (2007), S. 178f.

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