Arnfried Edler: Robert Schumann

Robert SchumannEdler, Arnfried: Robert Schumann und seine Zeit. 3. überarb. und erw. Aufl. – Laaber: Laaber, 2008. – 416 S.: Notenbsp., Abb. (Große Komponisten und ihre Zeit)
ISBN 978-3-89007-653-9 : € 39,80 (geb.)
Edler, Arnfried: Robert Schumann. – München: Beck, 2009. – 127 S. (C.H. Beck Wissen ; 2474)
ISBN 978-3-406-56274-7 : € 7,90 (kart.)
Wie stabil, schlüssig und nachhaltig die Konzeption schon der ersten Auflage seines Schumann-Buches in der Reihe Große Komponisten und ihre Zeit von 1982 war, erwies sich dem Autor bei dem Versuch, davon 26 Jahre später eine revidierte Neuauflage zu veröffentlichen, die den veränderten Bedingungen, besonders dem rasant vorgeschrittenen Stand der Schumann-Forschung Rechnung trug. Bedingt durch die Öffnung der innereuropäischen Grenzen im Laufe der neunziger Jahre und durch die innerdeutschen, nun gemeinsamen Bestrebungen der Schumann-Städte Zwickau, Düsseldorf und Bonn, konnte die Quellenlage bis zum 150. Todestag Schumanns im Jahre 2006 bis hin zur Publikation der Krankenakten fundamental verbessert werden. Davon konnte der Autor profitieren, ohne die Anlage seines Buches umstoßen zu müssen. Die Gliederung des Buches in eine die Umwelt des Komponisten miterfassende Lebenschronik einerseits und eine differenzierte Sammlung von Aspekten andererseits, welche die grundlegenden romantischen Debatten über musikalisches Künstlertum, dann die drei großen Gattungen Instrumentalmusik, Lied und Musikdrama, dann den Charakter der Person, schließlich die Schumann-Rezeption behandeln, hatte sich so bewährt, dass sie die Unmenge der neuen Erkenntnisse in sich aufnehmen konnte. Für Bibliotheken, die im Besitz der ersten Auflage sind, ist der Zugewinn also beträchtlich und für Bibliotheken, für die die 3. Auflage die erste Anschaffung dieses Werkes wäre, ist die Aktualität damit ebenfalls direkt gegeben, da Schumann durch zwei relativ eng hintereinander folgende Gedenktage in den Brennpunkt des Interesses gerückt ist, dass zu einer Erwerbung dieses Standardwerkes dringend zu raten ist. Ein Standardwerk ist es vor allem dadurch geblieben, dass nur Edler so gut erzählen kann, woher bestimmte Gattungen bei Schumann eigentlich kommen, etwa das frei fantasierende Klavierstück, und er dabei auch den böhmischen Klavieristen Voříšek nicht übersieht.
Robert SchumannUmso erstaunlicher, dass der gleiche Autor es gewagt hat, zum erneuten Schumann-Jahr ein weiteres Buch über diesen Komponisten vorzulegen, das sich deutlich von dem früheren unterscheidet und sein vielfältiges Wissen bestens komprimiert. Edler geht hier wirklich biografisch zu Werke, denn kaum ein Komponistenleben ist so genau dokumentiert – durch Tagebücher, Briefe, Zeugnisse von Zeitgenossen –, dass es ein leicht und auch für den Leser angenehm gangbarer Weg ist, eine Lebens- und Werkerzählung Schumanns um Selbstaussagen und Fremdzitate zu gruppieren. Und so werden hier die entscheidenden Knoten- und Wendepunkte des Schumannschen Lebensfadens, seine frühe literarisch-musikalische Doppelbegabung, seine wechselnden Berufspläne, sein Changieren zwischen Pianist, Komponist, Dirigent und Literat, seine Wanderschaft zwischen Zwickau, Heidelberg, Leipzig, Wien, Dresden und Düsseldorf stets so erzählt und interpretiert, dass aus der Fülle der möglichen Belege das Treffendste herbeizitiert wird. Nie ist etwa die schicksalhafte Bedeutung von Chopins zweitem Opus (dessen Mozart-Variationen für Klavier und Orchester) für Schumanns Entwicklung plausibler in Kürze vorgeführt worden als hier. Auch die ästhetischen Debatten der Zeit, von denen Schumanns Wirken nicht zu trennen ist, werden hier in dem Kapitel über Schumann als Redakteur der von ihm gegründeten Neuen Zeitschrift für Musik konzise erläutert. Sein Komponieren wird in einem zentralen Kapitel unter dem erhellenden Stichwort des „Gattungsuniversalismus“ abgehandelt, denn tatsächlich gibt es kaum eine musikalische Gattung, die Schumann nicht etwa nur „bedient“ hätte, sondern die er in ihrem Charakter ausgestaltet und verwandelt hätte. Sonaten ohne „Durchführung“, so etwas findet man eben zuerst bei Schumann. Auch, dass Schumann seine Produktivität einer lebenslangen Krise abgetrotzt hat, wird mehrfach thematisiert, aber taktvoll behandelt. Dass einer Zeittafel, einem äußerst komprimierten Literaturverzeichnis und einem Namensregister nicht auch noch ein paar Notenbeispiele und ein Werkregister beigefügt werden konnten, ist sehr bedauerlich, während in der dritten Auflage des Edlerschen Schumann-Bandes aus der Laaber-Reihe die neuesten Erkenntnisse aus dem Thematisch-Bibliographischen Werkverzeichnis von Margit L. McCorkle (2003) verwertet wurden. Dieses kleine Bändchen scheint ebenso für Leute geeignet, die gerade anfangen wollen, sich mit Schumanns Musik zu beschäftigen, als auch für solche, die sie schon länger kennen und lieben.

Peter Sühring
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 31 (2010)

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