Mark Bego: Tina Turner. Die Biografie

Tina Turner

Bego, Mark: Tina Turner. Die Biografie / Aus dem Amerik. v. Ulrike Lelickens. – Höfen: Hannibal, 2010. – 335 S.: Abb.
ISBN 978-3-85445-310-9 : € 24,90 (geb.)

Wenn der „King of Popmusicbiography“, Mark Bego, sein 48. Buch über Popmusik, seine zigste Popkünstlerbiografie schreibt und sie der „Queen of Rock & Roll“ widmet, sollte man etwas Edles erwarten können. Oder doch nur die weitere Nummer einer bio­grafischen Fließbandproduktion? „Das Übliche: Jeder mag Tina“, gestand Tina Turner (geb. 1939) in ihrem Interview mit der Zeitschrift Vanity Fair im Juli 1993. Bego, selbst jedermanns Liebling, mag sie ganz besonders, und er kann sich glücklich schätzen, drei Wendepunkte in Tinas Leben miterlebt zu haben: ihr Comeback 1984 im New Yorker Ritz, ihr vorläufiges Abschiedskonzert 2000 in Los Angeles und ihr erneutes Come­back zu ihrem 50sten Bühnenjubiläum 2008/09.
Der Legende nach ist Tina Turner „Twenty Four Seven“, d.h. 7 Tage in der Woche 24 Stunden lang aktiv, sexy, inspiriert und glücklich. Dass das zu simpel ist, zeigt Bego anhand von klugen Tina-Zitaten, die er in seiner Biografie aus 53 Quellen (darunter Tinas Autobiografie von 1986) gesammelt, ausgesucht und passend platziert hat, so dass ein etwas komplexeres Bild dieser Künstlerin entsteht. Sie hat ja ein zweigeteiltes Leben geführt: Eine dunkle Zeit zusammen mit dem gewalttätigen Ike Turner, die als Ehe mit ihrem Songwriter und Manager einer quälenden Leibeigenschaft gleichkam, und eine helle Zeit, in der es ihr gelang, sich zu einem selbstständigen Superstar hoch­zukatapultieren, der in das Guinness-Buch der Rekorde mit der größten je von einer Künstlerperson veranstalteten Show in die Geschichte einging (16. Januar 1988 in der Macarena von Rio de Janeiro vor 182.000 Menschen).
Auch ihr musikalisches Leben war zweigeteilt: War sie bis zu ihrer Trennung von Ike Turner das gefeierte schönste Gesicht des schwarzen Rythm & Blues, so wurde sie ab 1984 die Queen of Rock & Roll, was einem Wechsel von der schwarzen Musiksze­ne zu den inzwischen arrivierten Idealen der Weißen gleichkam. Das von ihren neu­en Musikerfreunden wie Mick Jagger und Rod Stewart initiierte Comeback führte sie dann auch besonders nach Europa. Die musikalische Seite ihrer doppelten Karriere wird in dieser Biografie, die sich weitgehend mit lockeren Erzählungen vom Glanz und Elend dieses Popstars begnügt, kaum näher beleuchtet. Musikalische Stile und Unterschiede sind ziemlich egal, Hauptsache das Idol schwimmt immer oben und glänzt. Dabei wäre zu enthüllen gewesen, was eigentlich Tinas Musikalität ausmacht, die die Leute, abgesehen von ihrer erotischen Erscheinung, so verrückt macht. Und auch die besondere, andersartige Musikalität ihres ersten Showmasters, Ike Turner, wäre es wert gewesen, ausführlicher dargestellt zu werden, denn Tina selber hat ent­scheidende Hits dieser Periode nie aus ihrem Repertoire gestrichen. Um Tinas musika­lischem Geheimnis, ihrem rauen, explosiven Ton, näher zu kommen, hätte ihr Biograf nur aus seinen Erzählungen über das kleine Städtchen Nutbush/Tennessee, in dem Anne Mea Bullock als Tochter eines Cherokee-Indianers und einer Navajo-Indianerin („Beide waren nur zu einem Viertel schwarz“) geboren wurde, um dann in St. Louis/Mississippi weiterzumachen und Tina Turner zu werden, die künstlerbiografischen Konsequenzen zu ziehen brauchen.

Peter Sühring
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 31 (2010)

 

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