Hanspeter Künzler: Black or White. Michael Jackson. Die ganze Geschichte

Künzler, Hanspeter: Black or White. Michael Jackson. Die ganze Geschichte. –Höfen: Hannibal, 2009. – 255 S.: zahlr. s/w-Fotos
ISBN 978-3-85445-305-5 : € 14,95 (brosch.)

Für den Sommer 2009 kündigte der Hannibal-Verlag eine Biografie über Michael Jackson an. Der Termin war gut gewählt, lag er doch kurz vor einem umfangreichen Gastspiel Jacksons in London. Als der Sänger am 25. Juni 2009 überraschend starb, bot sich eine einzigartige Gelegenheit: Der Druck wurde gestoppt, ein finales Kapitel ergänzt, und das Buch konnte „als weltweit einzige aktuelle Biografie“ in die Bestseller-Listen vorstoßen. Doch auch ohne die bedauerlichen äußeren Umstände läge eine lesenswerte Lektüre vor.
Hanspeter Künzler heißt der Autor, der nun zu Recht einen Teil des Rampenlichts abbekommt. Der in London lebende Schweizer, der als Journalist für die NZZ, den Musikexpress oder Sounds gearbeitet hat, hat dabei ein eigenwilliges Gerüst konstruiert. Wohl wissend, dass es keiner Grundlagenforschung mehr bedarf (siehe die mustergültige Biografie von Taraborrelli), nimmt er sich die Jackson-Medaille vor, trennt säuberlich zwischen Vorder- und Kehrseite und nennt das Ganze Black or White. Plakativ und durch die Farbgebung im Layout unterstützt teilt er so jede Lebensphase in die „positiven“ und die „negativen“ Seiten ein. Der großfamiliären Idylle des Jackson-Clans stehen die tyrannischen Erziehungsmethoden und Karrierepläne des Vaters entgegen; die Protegierung durch Motown ist gleichzeitig eine Verpflichtung zur künstlerischen Unfreiheit etc. Künzlers Konstrukt hat natürlich seine Tücken. Der Autor muss hinter allem Guten das Böse wittern, jeder negativen Entwicklung etwas Positives abgewinnen. Dies führt dazu, dass Künzler das Konzept der wechselseitigen Ausleuchtung zum Ende hin zugunsten einer bloßen Reihung von unterschiedlich gefärbten Anekdoten und Details aufgibt. Darüber hinaus enthebt er sich der Notwendigkeit, ein in sich stimmiges Bild zu entwerfen. Doch kann man das auch weise nennen, hält man sich alle Gerüchte, Erkenntnisse, Fakten und Lügen vor Augen, die nicht erst nach Jackos Tod in den Umlauf gebracht wurden und den Blick vollends versperren.
Neben der Grundstruktur ist es vor allen ein Aspekt, der die Biografie lesenswert macht: Zu des Autors Interessen gehört die Entwicklung afroamerikanischer Musik mit ihren sozialen und kulturellen Verflechtungen. Der Frage der eigenen Identität etwa, die in Jacksons Fall oft genug als Verrat an der eigenen Herkunft formuliert wurde, begegnet Künzler durch die historische Betrachtung der Motown-Politik, die Reaktion auf politische Strömungen innerhalb der schwarzen Musik oder durch das Selbstverständnis Jackos als Musiker. Im Gegensatz zu dieser differenzierten Betrachtung steht leider die Bebilderung, bei der sich Verlag und Autor mehr Mühe hätten geben können. Die Fotos bestehen größtenteils aus simpel fotografierten Jackson-Platten oder –Zeitungsartikeln, die als Sechserpack in einfallslosem Layout reproduziert werden.

Michael Stapper
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 30 (2009), S. 271f.

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