Matthias Henke: Joseph Haydn

Henke, Matthias: Joseph Haydn. – München: dtv, 2009. – 144 S.: Ill.
ISBN 978-3-423-34547-7 : € 12,90 (Pb.)

Unter den zahlreichen im Haydn-Jahr erschienenen Publikationen für einen breiten Leserkreis bildet Matthias Henkes Haydn-Biographie eine wohltuende Ausnahme. Flüssig und verständlich geschrieben, vermittelt der Autor verlässliche Daten und Fakten zu Haydns Leben und Schaffen, ohne dort, wo die Dokumente Lücken aufweisen, auf (begründete) Spekulationen zu verzichten. Diese sind jedoch für den Leser als solche gekennzeichnet (meist in Form von Fragen formuliert), so dass offen bleibt, wie weit man im Einzelnen dem Autor folgen möchte. Darüber hinaus nimmt Henke immer wieder auch ungewöhnliche Perspektiven ein – etwa, wenn er die Situation des 18jährigen Haydn mit derjenigen Franz Schuberts, Ludwig van Beethovens und Wolfgang Amadé Mozarts vergleicht (S. 27f.). Auch die zahlreichen Bezüge zur Musik des 20. Jahrhunderts, zu Gustav Mahler (S. 95), Arnold Schönberg (S. 13 u. 93), Anton von Webern (S. 93), Karlheinz Stockhausen (S. 13), Mauricio Kagel (S. 11, 79 u. 130) und Erik Satie (S. 130), sind überaus anregend.
Besonders beeindruckend ist die Fähigkeit des Autors, durch einzelne Beispiele größere Zusammenhänge herzustellen und Hintergründe lebendig werden zu lassen. So stehen die Ausführungen zur Architektur von Schloss Lukawetz für den Kunstsinn des dort residierenden Grafen Morzin (S. 40). Anhand von Haydns Reaktion auf die sogenannte „Regulatio Chori KissMartoniensis“, ein Ermahnungsschreiben Fürst Nikolaus Esterházys, zeigt er Haydns Vermögen auf, „Kritik in positive Energie zu verwandeln“ (S. 65). Und an einer Arie aus der Oper Orlando paladino demonstriert Henke exemplarisch die für Haydn „typische Kommunikation mit dem Publikum, dessen Erfahrungshorizont er gewissermaßen einkomponierte“ (S. 89f.). In einigen Fällen hätte er indes die Original-Quellen konsultieren können, beispielsweise im Fall der Mozart-Briefe; den berühmten Brief Leopold Mozarts an seine Tochter vom Februar 1785 zitiert er etwa nach Ludwig Finschers Haydn-Monographie (S. 97). An wenigen Stellen haben sich auch (Druck-)Fehler eingeschlichen, etwa auf S. 30, wo nur durch ein fehlendes Komma Leonardo Leo und Johann Adolf Hasse gleichsam zu einer Person („Leo Hasse“) zusammengezogen werden.
Besonderes Augenmerk verdient die hervorragende Bebilderung des Buchs – weitestgehend in Farbe und in bester Qualität. Jedes Kapitel wird mit einem Porträt gleichsam eingeleitet; daneben lassen die Abbildungen Haydns Wirkungsstätten, Dienstgeber, Kollegen, Schüler und andere Zeitgenossen lebendig werden. Längere Quellenzitate stehen in einer Marginalspalte und bilden damit gleichsam eine dritte Textebene aus. Eine Zeittafel, eine Werkliste, ein kurzes Literaturverzeichnis und ein (leider nicht immer ganz zuverlässiges) Personenregister runden Henkes Publikation ab. Das Buch sei jedem empfohlen, der sich allgemein über Haydns Leben und Werk informieren möchte.

Christine Siegert
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 30 (2009), S. 250f.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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