Lewis Carroll/Henrik Albrecht: Alice im Wunderland (Orchesterhörspiel) [Petra Diepenthal-Fuder]

Lewis Carroll/Henrik Albrecht: Alice im Wunderland / Musik und Nacherzählung: Henrik Albrecht  / Illustration: Elisa Vavouri. – Berlin: Annette Betz, 2019. – 31 S.: farb. Ill., 1 Audio-CD (Weltliteratur und Musik)
ISBN 978-3-219-11807-0 : € 24,95 (geb.), 5 – 7 Jahre

Ist dieses Bilderbuch mit beigefügter CD einfach eine Bearbeitung eines bekannten Stoffes oder seinerseits wieder ein eigenes, originales Kunstobjekt? Die Entstehungsgeschichte bringt Licht ins Dunkel. Den Anfang bildet der erfolgreiche Kinderbuch-Klassiker Alice im Wunderland des britischen Autors Lewis Carroll aus dem Jahre 1865, zigfach bis heute durch Bearbeitungen in den verschiedensten Kunstmedien lebendig erhalten. Zu dieser Erfolgsstory gehört als Zweites eine großartige musikalische Hörspielversion von Henrik Albrecht, im Jahre 2010 im NDR (mit der NDR Radiophilharmonie und den Sprechern Ulrich Noethen, Laura Maire und Stefan Kaminski unter Leitung von Andreas Hempel) produziert und seitdem auch vielfach live in Konzerten aufgeführt. Der versierte Komponist für Hörspiele, Film- und Theatermusik Albrecht nennt diese Version auf seiner Homepage „Orchestererzählung für drei Sprecher“. Damit entstand aus der Erzählung Alice im Wunderland ein neues, eigenes Kunstformat, nämlich ein musikalisches Märchen mit dem Ziel, Kinder mit klassischen Orchesterklängen vertraut zu machen und sie davon zu begeistern. Albrecht hat bereits 2005 die Gattung des Orchesterhörspiels für großes Orchester und drei Sprecher erfolgreich kreiert. Die jungen Zuhörer*innen erhalten Höreindrücke vom ausgewählten Spiel mit den musikalischen Parametern, um Figuren, Stimmungen und Charaktere in der Musik wiederzuerkennen. Sie erleben unmittelbar den gezielten Einsatz von Leitmotivik, musikalischen Metamorphosen und Entwicklungen sowie von unterschiedlichster Dynamik, Artikulation und Klangfarben, kurzum, Kinder hören, dass man mit Musik selbst etwas erzählen und ausdrücken kann. Und das immer im Zusammenhang mit Weltliteratur. Als drittes Element in der Entstehungsgeschichte des vorliegenden Kinderbuches treten die Bilder hinzu. Das Buch selbst enthält neben einer gekürzten Fassung der Geschichte wunderbare Illustrationen von Elisa Vavouri, die in ihrer langjährigen Erfahrung mit der weltweiten Illustration von Kinderbüchern die Verrücktheit der Geschichte von Alice im Wunderland in ihren Bildern sehr direkt eingefangen hat – zwar ein wenig schematisch, aber dennoch lebendig. Dank der beiliegenden CD des musikalischen Hörspiels ist Alice im Wunderland nun zu einem Gesamtkunstwerk von Text, Ton und Bild geworden. Und darin liegt der besondere Reiz dieser Ausgabe. Wobei es nicht möglich ist, das Buch zur Musik vorzulesen. Denn der Text und die Musikeinwürfe auf der CD sind nicht entkoppelt. Man kann sich gemeinsam mit dem Kind dem Gesamtkunstwerk auf verschiedene Arten, je nach Lust, Alter und auch nach momentaner Situation nähern. Ob man erst einmal die gekürzte Geschichte als Bilderbuch vorliest, bevor man das Orchestermärchen in seiner Klanggewalt zu Wort kommen lässt oder ob man die Geschichte direkt mit der Musik verbindet und die Bilder im Buch als Orientierung bereithält, kann frei entschieden werden.
Nebenbei: Der Komponist und Autor Henrik Albrecht spricht mit Erklärungen zu seiner Musik im Buch auch direkt die Kinder als Adressaten an, denkt also auch an Kinder, die das Buch schon alleine lesen können. Ansonsten sind dies hilfreiche Anmerkungen für die begleitenden Erwachsenen. Die Altersangaben des Verlages lauten 5 – 7 Jahre. Ich denke, dass durch die Komplexität der Musik auch noch ältere Kinder erreicht werden können. Zum Schluss noch ein appetitmachendes Zitat aus einer Rezension zur ersten Orchesteraufführung, 2011 bei den ARD Hörspieltagen: „Auf fantasievolle Weise ließ die Komposition, die allen Instrumentengruppen des Orchesters Entfaltungsmöglichkeiten bot, die skurrilen Ereignisse hinter der goldenen Pforte des Wunderlandes plastisch werden. So konnten die Zuhörer erleben, wie es klingt, wenn kullernde Riesentränen zu einem See anschwellen, Spielkarten als Hofstaat aufmarschieren und griesgrämige Raupen sich in schöne Schmetterlinge verwandeln. Mit bemerkenswerter Suggestivkraft wurden die Gesetze der Vernunft von der fantastischen Musik außer Kraft gesetzt.“ (Echo online vom 27. März 2012). Ab 5 Jahren

Petra Diepenthal-Fuder
Erkerode, 30.09.2020

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