Dieter David Scholz: Richard Wagner – Eine europäische Biographie

Scholz Wagner CoverScholz, Dieter David: Richard Wagner – Eine europäische Biographie. – Berlin: Par­thas, 2006. – 430 S., 41 Abb.
ISBN 978-3-86601-790-0: € 38,00

Wer heutzutage eine Wagner-Biographie verfasst, muss sich darüber im Klaren sein, dass er damit ein bereits weit ausgetretenes Terrain betritt. Eine neue Biographie er­scheint deshalb nur gerechtfertigt, wenn der Autor mit Aspekten aufwartet, die der Wissenschaft bis jetzt entgangen sind. Einen solchen, von anderen Autoren bisher ver­nachlässigten Gesichtspunkt hat Dieter David Scholz, seines Zeichens Musikkritiker in Presse und Rundfunk, entdeckt: „Den europäischen Kontext, die europäische Di­mension vom Leben und Werk Richard Wagners“ (S. 7) legt er seinem neu erschie­nenen Buch zugrunde. Diese Intention leitet sich aus der Erkenntnis her, dass Wagner „nur im europäischen Zusammenhang begriffen werden kann“ (S. 9). Die Begründung dafür ist einfach: Dem Deutschtum stand Wagner kritisch gegenüber. Bekannt ist sei­ne Äußerung „Hinweg aus Deutschland gehöre ich“ (S. 15). Seiner in seinem Aufsatz „Die deutsche Oper“ erhobenen Forderung „Der deutsche Künstler müsse endlich eu­ropäisch werden“ (S. 12) entspricht die Sehnsucht „die Grenzen Deutschlands zu über­schreiten und künstlerischer Europäer zu werden“ (S. 12). Einen Großteils seines Lebens „verbrachte Wagner jenseits deutscher Grenzen“ (S. 9) und „sein reiferes musikdrama­tisches Werk konzipierte Wagner fast ausnahmslos im so genannten ‚Ausland’“ (S. 9). Er war „ein Fliegender Holländer auf der Landkarte Europas“ (S. 15), ein „Wanderer zwischen den Nationen, dem ganz Europa zum Zuhause wurde“ (S. 13). Das Reisen ge­hörte zu seinen großen Leidenschaften.
Leider fällt das Buch im Vergleich mit anderen Wagner-Biographien etwas ab. Der europäische Aspekt ist zwar interessant, wird aber nur in der Einleitung ausführ­lich behandelt. Im weiteren Verlauf des Buches findet er keine sonderliche Erwähnung mehr. Zudem bleibt Scholz manchmal ein wenig an der Oberfläche. Einige wichtige Faktoren in Wagners Leben werden nur am Rande erwähnt, wie z. B. der Tod von Theodor Uhlig und Ludwig Schnorr von Carolsfeld. Andere bedeutende Tatsachen werden gänzlich ausgelassen. So beispielsweise die Aufführungen des Tannhäuser und des Lohengrin im Jahre 1850 durch Franz Liszt in Weimar, Minnas von der Schweiz aus unternommene Deutschlandreise und die ersten wesentlichen Amnestiebemühungen. Unterschlagen wird auch die gegen Wagners Willen erfolgte Münchner Uraufführung der Walküre. Auch wird nicht deutlich, wie Wagner überhaupt auf Bayreuth als Fest­spielort kam. Hierbei handelt es sich zwar um Ereignisse in Deutschland. Sie sind aber für das Verständnis des Europäers Wagner unverzichtbar. Darüber hinaus unterlaufen Scholz Fehler, die einem Biographen nicht passieren dürfen: So war z. B. Amalie Pla­ner nicht Minnas Mutter, sondern ihre Schwester, und Johanna Wagner nicht Wag­ners Schwester, sondern seine Nichte. Auch sonst stimmt nicht immer alles. Insgesamt haben wir es hier mit einem Buch zu tun, dessen Anschaffung nicht unbedingt emp­fohlen werden kann.

Ludwig Steinbach
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 27 (2006), S.378f.

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