Manfred Klimanski: Schmitts letzter Fall [Claudia Niebel]

Klimanski, Manfred: Schmitts letzter Fall. – Norderstedt: Books on Demand, 2017. – 277 S.
ISBN 978-3-7431-2824-8 : € 9,99 (kart.; auch als e-Book)

Dass der pensionierte Kanzler einer deutschen Musikhochschule den Ruhestand dazu nützt, um zu schreiben, ist eine sehr ehrenwerte Sache und nötigt dem Leser durchaus Respekt ab. Der Autor hat mit seiner Titelfigur einen Detektiv installiert, der in diversen als Trilogie konzipierten Kriminalfällen ermittelt (Schmitts Fall, Schmitts tiefer Fall; alle BoD), die nur sehr lose aufeinander rekurrieren und ohne wesentlichen Informationsverlust getrennt konsumiert werden können. Alle Verbrechen ereignen sich im Dunstkreis der sogenannten Hochkultur, die bei Lichte besehen so elitär gar nicht ist, da sie sich der Werkzeuge und Machenschaften ganz ordinärer Schwerkrimineller bedient. Man hat schon immer geahnt, dass auch die Akteure der öffentlichen Verwaltung mit kommunalpolitischem Filz, Vorteilsnahme, Korruption und mafiösen Strukturen zu tun haben und vor Erpressung, Betrug oder gar Mord nicht zurückschrecken. Schauplatz selbiger Ereignisse ist die fiktive Stadt Ostratal irgendwo in Süddeutschland und etwaige Ähnlichkeiten mit Freiburg, der Heimatstadt des Autors, sind weder auszumachen noch intendiert. Insofern ist Ostratal also auch eine Metapher für so ziemlich alles, was Strafverfolgungsbehörden entweder mit Argwohn beobachten und/oder als justitiabel einstufen. Doch auch die Hüter des Gesetzes in Ostratal sind mitunter mehr am eigenen Fortkommen als an der Wahrung von Recht und Gesetz interessiert …
Die Titelfigur Schmitt ist eigentlich kein richtiger Detektiv, eher das Gegenteil davon: ein Antiheld, vom Pech verfolgt, immer einen Tick zu spät, bisweilen begriffsstutzig und vor allem unsagbar bequem. Sein Fall respektive seine Fälle sind durchaus doppeldeutig auch als Sturz zu verstehen, als Sinnbild für zwar aufgeklärte, aber aus der Perspektive des Ermittlers nicht unbedingt erfolgreich abgeschlossene Vorgänge. Letztlich ist es auch nicht etwa berufliche Kompetenz, sondern die blanke Not, die Schmitt zu dieser Art des Broterwerbs treibt und die Aussicht, auf einen Schlag – Erfolg vorausgesetzt – eine satte Provision samt Spesen einstreichen zu können mit dem angenehmen Nebeneffekt, nicht regelmäßig arbeiten zu müssen. Interessenkonflikte ergeben sich mitunter durch die Kollision mit der Kriminalpolizei, die wie Schmitt dieselben Spuren untersucht, zuweilen die falschen oder die richtigen Schlüsse zu spät zieht und die sich dabei immer wieder in die Quere kommen.
Im dritten Band thematisiert Klimanski die Sparzwänge in der städtischen Kulturpolitik, die – wie heutzutage ja häufig – ehrgeizige Politiker entweder tatsächlich vorfinden, empfinden oder gar konstruieren, um hierdurch kurz- und mittelfristig freiwerdende Mittel anderen Verwendungszwecken zuzuführen. Konkret ist geplant, das philharmonische Orchester der Stadt abzuwickeln und stattdessen ein – wesentlich kleineres und personell neu aufgestelltes – Ensemble für Neue Musik samt einer Stadtkomponistin zu installieren. Die marktwirtschaftlich ausgerichtete Neustrukturierung, im Anschub finanziert von einer ortsansässigen Mäzenin zwingt die involvierten Charaktere aus Stadtverwaltung, Orchester und einem Versicherungskonzern zu äußerst kreativen Verfahrensweisen, wobei die zunächst harmloseren Instrumentendiebstähle den Privatdetektiv Schmitt ins Spiel bringen. Dieser gerät recht schnell in den Strudel weitaus dramatischerer Ereignisse, ausgelöst durch den Tod gleich mehrerer Beteiligter. Schmitts Neugier ist geweckt und mit der bewährten Unterstützung seiner Ex-Frau, der Musikwissenschaftlerin Prof. Dr. Susanne Mälis spürt er vermeintliche und echte Zusammenhänge auf und findet am Ende den wahren Täter, wobei hier – wie in den beiden Fällen zuvor – sowohl der pekuniäre als auch persönliche Erfolg des Helden in fragwürdigem Lichte erscheinen.
Der Autor eröffnet interessante Nebenschauplätze, die im rechtsnationalen Milieu Finnlands, im großbürgerlichen Ambiente einer steinreich verwitweten Nudelfabrikantin oder im Dark Net mit seinen obskuren virtuellen Briefkästen angesiedelt sind. Die Befindlichkeiten der involvierten Handlungsbeteiligten schildert er empathisch, humorvoll und mitunter sehr plastisch. Er formuliert durchaus flüssig und unterhaltsam, die Wortwahl ist, passend zu Person oder Schauplatz, fantasievoll bis schnoddrig, was leider zur Folge hat, dass trotz des hochgelobten Lektorats (Danksagung des Autors) zahlreiche Stilblüten und falsche Formulierungen den Text verunstalten, die bei der nächsten BoD-Ausgabe hoffentlich überarbeitet werden. So liest man erstaunt, dass eine Person in „ihrem Rücken einen offenen Kamin“ hat (S. 37), dass jemand „unvernehmlich“ (S. 38) – das Wort gibt es nicht – seufzt, dass ein Raum entweder „Charisma“ hat (S. 42) oder „unaufwändig“ (S. 77) eingerichtet ist. Anfechtbar ist auch, dass jemand „richtiggehende Feindbilder“ pflegt (S. 75) oder „ein bisschen für jemanden die Augen aufmacht“ (statt „die Augen offenzuhalten“). Die Vorstellung, dass Leute „innerlich amüsiert den Kopf schütteln“ und „in Laut“ sprechen (S. 112) ist ebenso abwegig wie die Aussage, dass ein Student „sein Dasein schmeißt“ (S. 165) oder – ganz unglücklich – dass Schmitt eine Person „mit einem Eisesblick bis tief in die Gedärme erdolcht“ (S. 188). Falsch im Sinnzusammenhang verwendete Worte wie „bramarbasieren“ (S. 36) oder „Charade“ (S. 200) sind nur ein paar Beispiele für schlampiges Lektorat, ganz abgesehen von Satz- und Schreibfehlern, die in einem Kulturkrimi so gar nicht vorkommen sollten: “Wolfgang Riehm” (S. 43), “Harfinisten” (S. 83) und falsch geschriebene Werke zeitgenössischer Komponisten (S. 85) sind einfach nur ärgerliche weil vermeidbare Fehler – so wie unterschiedlich geschriebene Namen derselben handelnden Personen (z.B. S. 21).
Die diversen Handlungsebenen sind lose verknüpft, im Gegensatz zum zweiten Roman eher linear als mehrschichtig dargestellt (auch ersichtlich an den wiederkehrenden Kapitelüberschriften, die einfach durchnummeriert sind), was aber nicht unbedingt stören muss zumal der Autor durchaus Spannung aufzubauen versteht. Manche Längen hätte das Lektorat den Lesern ersparen können, z.B. ist die kenntnisreich und ausführlich dargestellte Geschichte Finnlands nur unwesentlich für den Verlauf der Handlung und hätte dringend einer Straffung bedurft. Angenehm ist eine Tafel der dramatis personae am Ende des Bandes, ansonsten würde der Leser den Überblick angesichts der handelnden Personen verlieren. Insgesamt ist der Krimi gut les- bzw. im obigen Sinne „konsumierbar“ und zeugt von der administrativen und betriebswirtschaftlichen Kompetenz des Autors und seinem Willen zu detailgenauer Schilderung. Der Qualitätsunterschied zum zweiten Band ist dennoch offensichtlich, es scheint als sei der Autor einem objektiv vorhandenen oder auch realen Zeitdruck erlegen. Das Buch wirkt schneller und weniger sorgfältig hingeworfen, als (der hier nicht besprochene erste und) der Vorläuferband. Sollte Manfred Klimanski sich als Autor anderen Sujets zuwenden, nachdem die Trilogie hiermit ja abgeschlossen ist, möchte man ihn ermutigen, sich dringend eines erfahrenen Lektors und/oder Verlages zu versichern. Es wäre nämlich schade um seine Ideen und seine Fachkenntnis. Und zum Glück darf man diesen Krimi ungeachtet der stilistischen Stolpersteine auch als Satire lesen, denn das – so unterstellt es die Rezensentin – anvisierte Lesepublikum müsste ansonsten ob des finsteren Milieus und seiner Handlungsbevollmächtigten an seinem Lieblingssujet, der Kultur verzweifeln. Die Schaffung alternativer Fakten wäre demzufolge nur der satirischen Form geschuldet und nicht den tatsächlich und in extenso geschilderten zweifelhaften Praktiken handelnder Eliten. Was verzweifeln lässt ist eher der Umstand, dass im Zeitalter der hashtags, tweets oder e-Mails Orthographie oder Stil kaum noch eine Rolle spielen und somit auch Verantwortung eher nachrangig einzuordnen ist.

Claudia Niebel
Stuttgart, 11.03.2017

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