Volker Klotz: Es lebe: Die Operette [Christoph Zimmermann]

Klotz, Volker: Es lebe: Die Operette. Anläufe, sie neuerlich zu erwecken – Würzburg: Königshausen & Neumann, 2014 – 265 S.: s/w-Abb.
ISBN 978-3-8260-5087-9 : € 38,00 (kart.)

Den Slogan „Es lebe die Operette“ hat Volker Klotz bereits in seinem wegweisenden Operetten-„Handbuch“ (1991, erweitert 2004) ausgegeben. Sicher: die Operette lebt, aber mehr schlecht als recht. Ihre rund hundertjährige Geschichte präsentiert sich heutzutage nur noch rudimentär. Dass sich im vergangenen November die Premieren von zwei Abraham-Operetten in Hagen und Dortmund überschnitten (Ball im Savoy, Fußball-Operette Roxy), dass der Westdeutsche Rundfunk in jüngster Zeit zwei von Klotz geschätzte Raritäten produzierte (Kálmáns Bajadere, Künnekes Herz über Bord), ist zu loben, bildet aber doch nur den sprichwörtlichen Tropfen auf den heißen Stein.
Schon in seinem Handbuch hat der Autor einen Spielplan entworfen, welcher massives Vergessen und Unterdrückung kritisiert. Die Operette außerhalb Deutschlands/Österreichs wird beispielsweise nahezu vollständig ignoriert. Um dieser Situation entgegenzuarbeiten, wäre bei den Theatern freilich mehr Mut, bei den Besuchern mehr intellektuelle Aufgeschlossenheit erforderlich. Immerhin bietet das Genre nicht einfach (verfälschende) „Provinzial-Idyllik“ (S. 32), bekämpft diese vielmehr, wie bei „Urvater“ Offenbach ausgiebig zu studieren ist. Doch dessen anarchischer Impetus wurde sehr bald trivialisiert, verkam zu angepasster Gemütlichkeit, schließlich sogar zu politischer Unterwürfigkeit. So wird man konsterniert mit dem Faktum konfrontiert, dass sich Komponisten zu Beginn des Ersten Weltkrieges nicht entblödeten, unter dem Titel Der Kriegsberichterstatter ein tendenziöses Machwerk zu verfassen und sich auch sonst mit hurrapatriotischen Äußerungen zu Wort zu melden. Dem hatte nicht zuletzt der Zigeunerbaron des dramaturgisch freilich stets etwas naiven Strauß speziell mit seinem militaristischen Werberlied die Wege bereitet (Klotz: „Sündenfall der Gattung Operette“, S. 71). Wie anders (und herrlich frech) verfährt hingegen Offenbach bei dem ironisch säbelrasselnden Generals-Couplet „Pif paf puf“ in seiner Großherzogin von Gerolstein. Der Negativbefund von Klotz verdichtet sich speziell in dem Kapitel „Operette in der Nazi-Zeit“ (köstliche Überschrift: „Der Widerspenstigen Lähmung“). Auch im Bereich der Oper hat das „Tausendjährige Reich“ gravierende Verwundungen verursacht. Inzwischen aber regt sich neues Leben, im Bereich Operette derzeit besonders stark in Berlin bei Barrie Kosky an der Komischen Oper.
Ob indes alle Blütenträume von Volker Klotz reifen werden, ist noch nicht ausgemacht. Aber sein unglaublich kenntnisreiches Buch ist wenigstens eine Basis. Einige Informationen und Wertungen wiederholen sich bei den Artikeln unterschiedlicher Herkunft, und der Stil des Autors verrät bei aller Eloquenz den hochgebildeten Dramaturgen. Aber Klotz argumentiert immer auch praxisbezogen. So wurde er von verschiedenen Theatern zur Produktions-Mitarbeit herangezogen. Den von ihm betreuten Stücken widmet er in seinem Buch Detailanalysen. In toto: ein wichtiges, Mut machendes Buch.

Christoph Zimmermann
Köln, 24.06.2015

Dieser Beitrag wurde unter Offenbach, Jacques (1819-1880), Operette, Rezension abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.