Christoph Schwandt: Carl Maria von Weber in seiner Zeit [Christoph Zimmermann]

Schwandt, Christoph: Carl Maria von Weber in seiner Zeit – Mainz: Schott, 2014. – 606 S.: Abb., Bibliogr., Werkverz., Personenreg.
ISBN 978-3-7957-0820-7 : € 35,00 (geb.)

2026 steht das Gedenken an Carl Maria von Webers Tod vor 200 Jahren an. Der Name des Komponisten ist vor allem mit seiner erzromantischen Oper Der Freischütz verbunden, die auf der Bühne heutzutage freilich einen schweren Stand hat. An Oberon und Euryanthe (jüngst in Frankfurt) wagen sich Szeniker sogar noch weniger. Ein Frühwerk wie Silvana dürfte (ungeachtet einer Hagener Produktion von 1996) über Konzertaufführungen generell nicht hinaus kommen (2010 gab es eine in München unter Ulf Schirmer, gerade auf CD veröffentlicht). Die hohe Wertschätzung Webers scheint gleichwohl ungebrochen, auch wenn seine Werke im öffentlichen Konzertleben keine dominierende Rolle spielen. Auf Tonträgern gibt es immerhin die Sinfonien, die Konzerte für Klarinette und Klavier (darunter das attraktive Konzertstück), Messen und Einiges aus dem Bereich der Kammermusik. Aufschwung könnte die neue historisch-kritische Ausgabe bringen, deren 25. Band gerade (Mai 2015) erschienen ist und die zu Beginn des anfangs genannten Jahres vollendet sein soll. Zu diesem Unternehmen steht Christoph Schwandt in engem Kontakt, und seine aktuelle Weber-Biografie profitiert erkennbar davon. Sie räumt mit Klischees ebenso auf wie mit Glorifizierungen, welche sich seit der ersten Darstellung von Webers Vita durch Sohn Max Maria in der Literatur eingenistet haben. Obwohl Schwandt, ehemals Operndramaturg und mittlerweile freier Autor (u.a. Biografien über Bizet, Verdi und Janáček), mit einer Fülle von erhellenden Fakten aufwartet, muss auch er gelegentliche Informationslücken zu Protokoll geben (S. 82 „ist nicht dokumentiert“); mitunter spekuliert er selber ein wenig (S. 81 „möglicherweise“, ein häufiger gebrauchtes Wort). Was er an Details auf 606 Seiten zusammen trägt, nötigt gleichwohl allerhöchsten Respekt ab und ist aufgrund eines angenehm flüssigen Stils auch leicht konsumierbar. Ob wirklich jedes Moment von Webers privatem Wohlbefinden die Nachwelt interessieren muss, bleibe einmal dahin gestellt. In jedem Falle aber beeindruckt Schwandt durch seine ungemein fleißige Materialsammlung, welche in der Weber-Rezeption eine neue qualitative Wegemarke bedeutet (beleuchtet wird u.a. die Rolle des ehrgeizigen Vaters Franz Anton). Wird der Leser durch die vielen Namen und Orte schon mal ein wenig überfordert, hilft das exzellente Register beim Wiederauffinden und Nachprüfen. Diese Hilfe nimmt man auch deswegen gerne in Anspruch, weil der Titel von Schwandts Biografie Carl Maria von Weber in seiner Zeit den Lebensweg des Komponisten konsequent im gesellschaftlichen und politischen Umfeld der damaligen Zeit verankert. Als ehemaliger Dramaturg lässt Schwandt aber auch musikalische Aspekte nicht zu kurz kommen, macht mit markanten Kurzanalysen den Reifeprozess Webers zu einem der führenden Ausdrucks-Romantiker des 19. Jahrhunderts nachvollziehbar. Eine gewisse Leseanstrengung bei dieser materialschweren Biografie sei nicht geleugnet, doch nimmt man sie angesichts des Informationsgewinns gerne in Kauf.

Christoph Zimmermann
Köln, 21.05.2015

 

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