21.04.2015 144. Geburtstag von Leo Blech

 

Leo Blech, Sammlung Manskopf

Heute vor 144 Jahren, am 21. April 1871, wurde in Aachen Leo Blech geboren, als dritter Sohn des jüdischen Pinsel- und Bürstenfabrikanten Jakob Blech und seiner Frau Rosette. 144, das ist ein Gros, eine alte Maßeinheit (12 x 12), die die Verfasserin dieser Zeilen noch in der Schule lernen musste, und auch Leo Blech musste sich zunächst mit Gros beschäftigen, denn trotz seiner schon früh erkannten musikalischen Begabung wollte der Vater, dass sein Sohn nach der Schule etwas Ordentliches lernte, und so machte dieser eine kaufmännische Lehre bei Wertheim und Schiff. Nach vier Jahren Beschäftigung mit „Tuchen en gros“ willigte der Vater in das Musikstudium seines Sohnes ein.
Aachen, Prag, Berlin, Riga und Stockholm sind einige Stationen seiner großen internationalen Musikerkarriere. Wir haben das große Glück, dass eine Reihe später Rundfunkinterviews mit dem Komponisten und Generalmusikdirektor erhalten sind, daher lassen wir ihn hier selbst zu Wort kommen in einem Interview mit dem RIAS am 20. April 1951, am Vorabend seines 80. Geburtstages.
Wie auch in anderen Interviews, so verschweigt Blech hier, dass seine Werke, besonders seine Opern, die seit den 1890er Jahren an führenden europäischen Opernhäusern mit großem Erfolg gespielt und sogar in mehrere Sprachen übersetzt wurden, nach 1933 nicht mehr aufgeführt werden durften; er selbst ging mit seiner Frau 1937 (die beiden Kinder waren schon vorher emigriert) ins Exil, zunächst nach Riga, 1941 dann nach Schweden. Von dort kehrten beide 1949 nach Berlin zurück.
Was das Erreichen des 90. Lebensjahres betrifft, so zeigte sich Leo Blech am Schluss des Interviews skeptisch, zu Recht, denn er starb 1958 im Alter von 87 Jahren und wurde in einem Ehrengrab der Stadt Berlin auf dem Friedhof Heerstraße beigesetzt. Vier Jahre später fand auch seine Ehefrau, die Sängerin Martha Blech geb. Frank, hier ihre letzte Ruhestätte – vermeintlich, denn diese Ruhestätte wurde ihnen vor zwei Jahren genommen, als die Stadt Berlin das Ehrengrab aufhob, den Grabstein entfernen ließ und die Grabstätte neu vergab.

Abgesägt: Grabstein der Eheleute Blech, April 2013; Photo P. Sommeregger

Nach einem Bericht darüber auf info-netz-musik wandten sich Musiker, Musikfreunde und Musikwissenschaftler aus aller Welt mit Protestbriefen an André Schmitz, den damaligen Kulturstaatssekretär von Berlin – ohne Erfolg.
Daraufhin beschloss man, Leo Blech ein anderes Denkmal zu setzen, in Form eines Büchleins in der Reihe Jüdische Miniaturen. Dank der Unterstützung vieler Familienmitglieder, Freunde, Kollegen, Musiker, Musikbibliothekare und der Berliner Staatskapelle, die Leo Blech in den Jahren 1906-1937 2.846mal dirigiert und der er zu internationalem Ansehen verholfen hatte, konnte das Projekt finanziert werden. Gerade werden die Druckfahnen korrekturgelesen, damit das Buch Anfang Juni erscheinen kann. Gleichzeitig wurde eine Facebook-Seite für Leo Blech eingerichtet, auf der Beispiele seiner Schallplatteneinspielungen hochgeladen werden. Hunderte von Schallplatteneinspielungen sind erhalten, eine davon, die RCA Victor-Aufnahme des Violinkonzertes e-Moll von Felix ‪Mendelssohn Bartholdy mit Fritz ‪‎Kreisler und der Staatskapelle Berlin unter Leitung von Leo Blech aus dem Jahr 1926 wurde im Jahr 1998 in die GRAMMY Hall Of Fame aufgenommen.
Von seinen eigenen Kompositionen gibt es verschiedene Rundfunkaufnahmen, hauptsächlich seiner Lieder. Von seiner erfolgreichen Oper Versiegelt (1908) erschien in jüngster Zeit ein Mitschnitt einer Aufführung aus dem Jahr 1954, leider in technisch sehr schlechter Qualität.Die Publikation der Jüdischen Miniatur ist ein Anlass, sich mit dem kompositorischen Schaffen Leo Blechs zu beschäftigen. Stichprobenartige Recherchen haben ergeben, dass Partituren und Klavierauszüge seiner Opern und Lieder in vielen Bibliotheken vorhanden sind.
Dass Leo Blech technischen Neuerungen gegenüber stets aufgeschlossen war, zeigt seine Mitwirkung in einem der frühesten Tonfilme aus dem Jahr 1929, der den Abschluss dieses Geburtstagsgrußes bilden soll.


 

Jutta Lambrecht
21.04.2015
zuerst erschienen auf www.iaml.info

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