Susanne Rode-Breymann: Alma Mahler-Werfel. Muse, Gattin, Witwe [Edith Rimmert]

Rode-Breymann, Susanne: Alma Mahler-Werfel. Muse, Gattin, Witwe. Eine Biographie – München: Beck, 2014. – 335 S.: Ill.
ISBN 978-3-406-66962-0 : € 22,95 (geb.; auch als e-book)

Anders als der Untertitel Muse, Gattin, Witwe auf den ersten Blick suggerieren könnte, zeigt Susanne Rode-Breymann in der vorgelegten Biographie eine Frau, die viel mehr war als nur Muse, Gattin oder Witwe berühmter Männer. Die Musikwissenschaftlerin und derzeitige Präsidentin der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover ist Mitherausgeberin der Tagebuch-Suiten 1898 – 1902 von Alma Mahler-Werfel und entwirft mit Hilfe eigener Forschungen ein Bild, welches mit der gängigen und oft einseitigen Sichtweise auf Alma Mahler-Werfel als skandalöse Femme fatale aufräumt.
Die Biographie zeichnet ein ruhiges Bild, gestützt auf gründliche Recherche unter Einbeziehung neuer Erkenntnisse und ohne einzelne Aspekte zu sehr in den Vordergrund zu stellen oder ihren Zusammenhängen zu entheben. So beschreibt die Rode-Breymann beispielsweise im ersten Teil des Buches ausführlich die Kindheit und Jugend Alma Mahler-Werfels, mit besonderem Blick auf die Rezeption von Musik, Kunst und Literatur. Die Leseerfahrungen, die sich aus den Tagebuch-Suiten rekonstruieren lassen, sind beeindruckend und die Autorin weist zu Recht darauf hin, dass es keinen Grund gibt, die Ernsthaftigkeit, mit der Alma Mahler-Werfel sich bereits in ihrer Jugend mit Musik und Literatur auseinandergesetzt hat, anzuzweifeln. Zahlreiche Zitate aus den Tagebüchern unterstreichen diesen Eindruck und zeigen, dass in bisher erschienenen Biographien über Alma Mahler-Werfel oftmals wichtige und durch die vorliegende Biographie unübersehbar erscheinende Details zur Entstehung eines wirklichkeitsgetreuen Gesamtbildes nicht berücksichtigt worden sind.
Einen besonderen Blick wirft die Biographie auf den regen Austausch, in dem Alma Mahler-Werfel zeitlebens mit komponierenden, kunst- oder literaturschaffenden Menschen stand und über den detaillierte Berichte in Tagebucheinträgen und Briefen Aufschluss geben. Es wird eine Frau beschrieben, die sich wortgewandt, schlagfertig und vor allen Dingen sachkundig zeigte.
Bezüglich der oft zu findenden Annahme, Alma Mahler-Werfel habe sich mit ihrem ersten Ehemann Gustav Mahler nicht auf Augenhöhe austauschen können, werden Briefe von Gustav Mahler an seine Frau zitiert, die das Gegenteil beweisen und zeigen, dass Gustav Mahler den geistigen Austausch mit seiner Frau sehr geschätzt hat.
Auch das Komponierverbot, welches Gustav Mahler seiner jungen Frau erteilte, wird unter neuen Gesichtspunkten betrachtet und es wird eine Interpretationsmöglichkeit eröffnet, die sich von einem einseitig ausgesprochenen Verbot wegbewegt und auch die von Alma Mahler-Werfel beschriebenen Ambivalenzen bezüglich ihres Schaffensprozesses zur gegebenen Zeit ins Feld führt. Hilfreich ist hier der Abdruck des kompletten Briefes, der den Leserinnen und Lesern ermöglicht, zu entscheiden, ob sie sich auf diese alternative Interpretation einlassen möchten.
Bezüglich der Alma Mahler-Werfel oft unterstellten Hysterie weist Susanne Rode-Breymann darauf hin, dass Wesenszüge Alma Mahler-Werfels eine negative Deutung erfahren haben, obwohl sie bei ihren männlichen künstlerisch tätigen Zeitgenossen als positiv wahrgenommen wurden und werden. „Eine kreative Ekstase bei Frauen? Nein. Bei ihnen gibt es, so sind immer noch viele (Männer) überzeugt, nur das hysterisch Übersteigerte“ (vgl. S. 48).
Die oft als skandalös hervorgehobenen Beziehungen Alma Mahler-Werfels zu den berühmten Künstlern Klimt, Zemlinsky, Mahler, Gropius, Kokoschka, Pfitzner und Werfel werden ebenfalls thematisiert, jedoch im Fluss der Lebensgeschichte und nicht als einzelne Höhepunkte der Biographie. Ebenso Alma Mahler-Werfels zahlreichen schwierigen Schwangerschaften und Geburten, sowie der Verlust von drei Kindern. Auch hier werden bestehende Sichtweisen auf Alma Mahler-Werfel beispielsweise als eine Mutter, die auf den Tod ihres Sohnes keinerlei Reaktion zeigte, durch neuere Forschungsergebnisse, die aus der Korrespondenz zwischen Alma Mahler-Werfel und Arnold Schönberg stammen, dekonstruiert.
In separaten kurzen Abschnitten stellt Rode-Breymann zwischen den umfangreichen Kapiteln zu den verschiedenen Lebensabschnitten noch einmal die Themen Frauen, Männer und Kinder in den Fokus. Im Fokus Frauen erfahren Leserinnen und Leser, dass Alma Mahler-Werfel trotz des anders scheinenden ersten Eindrucks durchaus langjährige Freundschaften zu Frauen gepflegt hat. Das Thema Frauenfreundschaft ist ein Aspekt, der durch die Veröffentlichung des Briefwechsels zwischen Alma Mahler-Werfel und Helene und Alban Berg (Hrsg. von Martina Steiger, 2008) ebenfalls neu bewertet werden kann.
Neubewertung, Relativierung und Anstöße zu alternativen Interpretationsmöglichkeiten, belegt mit zahlreichen Ausschnitten aus Tagebucheinträgen und Briefen sind die Stärke dieser Biographie, die den Leserinnen und Lesern ganz nebenher auch noch großes Lesevergnügen bereitet.

Edith Rimmert
Bielefeld, 25.01.2015

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