Leonard Cohen: Das Lieblingsspiel

Cohen, Leonard: Das Lieblingsspiel. Aus dem Engl. übers. v. Gregor Hens. – München: Blumenbar, 2009. – 318 S.
ISBN 978-3-936738-59-9 : € 19,90 (geb.)

1963 waren Suzanne und Marianne noch nicht geboren. Und bis er König David „Hallelujah“ rufen ließ, vergingen über 20 Jahre. 1963 hatte der knapp 30jährige Leonard Cohen (*1934) noch nicht einmal zur Gitarre gegriffen. Statt dessen veröffentlichte der Kanadier mit Das Lieblingsspiel (The Favourite Game) ein Buch, dass später als eines der wichtigsten kanadischen Bücher des 20. Jahrhunderts bezeichnet werden sollte. Kurz vor Cohens 75. Geburtstag im Jahr 2009 veröffentlichte der Blumenbar-Verlag den lange vergriffenen Roman in einer Neuübersetzung.
Lawrence Breavman ist der Sohn einer jüdischen Mittelklassefamilie aus Montreal. Durch den frühen Tod seines Vaters und die besitzergreifende Mutter verunsichert, macht sich der aufstrebende Poet auf eine Reise zur Erlangung der geistigen und körperlichen Liebe, vor allem aber zu sich selbst. Zahlreiche Affären und Beziehungen bringen ihn nicht nur in Konflikt mit seinem noch unklaren Lebensziel, sondern auch mit dem nicht gelebten, aber geerbten Glauben. In der Gestalt des Jugendfreundes Krantz erschafft Cohen einen weiteren Protagonisten, durch den das komplexe Innenleben Breavmans eine Spiegelung in die Außenwelt der kanadisch-amerikanischen 1950er und 1960er Jahre erhält. Die biografischen Parallelen zu Cohens Vita sind offensichtlich und es fällt nicht schwer, in Breavman den trotz seiner mürrisch-melancholischen Aura nicht unattraktiven späteren Sänger zu sehen.
Auffällig ist die Leichtigkeit, mit der Cohen die Entwicklung vom Kind zum jungen Erwachsenen nachzeichnet. Das erstaunt, wurde ihm doch bisweilen geraten, seinen melancholischen Platten Rasierklingen beizulegen. Die Schwermut, die sich durch die Musik Cohens zu ziehen scheint, ist im Roman zwar schon vorhanden, wird jedoch hinter einer leichtfüßigen, treffsicheren und ironischen Sprache verborgen (was auch ein Verdienst der gelungenen Übersetzung ist). Nun sollte man sich dadurch nicht täuschen lassen, hat Breavman es doch – wie jeder Heranwachsende – mit existentiellen Herausforderungen zu tun. Doch zumindest gerät die Lektüre dieser Selbstfindung nicht zur quälenden Tortur. Dies ist auch den trocken geschilderten Passagen mit absurden Dialogen und haarsträubenden Geschichten geschuldet, in denen BBreavman und Krantz zusammen Welt und Liebe erkunden.
Es wäre gelogen, Das Lieblingsspiel als einfaches Buch zu bezeichnen. Dem steht die bisweilen schwer verständliche, metaphernreiche und an der Poesie ausgerichteten Sprache entgegen. Doch fügen sich diese Passagen – ähnlich den ebenfalls nicht leicht zugänglichen Songtexten späterer Jahre – in das Gesamtwerk so harmonisch ein, dass sie weniger Fremdkörper als Potential für eine spätere weitere Beschäftigung darstellen. So ist Das Lieblingsspiel auf jeden Fall ein willkommener Anlass, sich dem Hör- und Lesewerk des Kanadiers intensiver zu widmen.

Michael Stapper
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 30 (2009), S. 371

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