Ralph Zedler: Arleen Augér – Würdigung eines heimlichen Stars [Christoph Zimmermann]

Zedler, Ralph: Arleen Augér – Würdigung eines heimlichen Stars – Köln: Dohr, 2013 – 443 S.: Abb.; Anh. incl. Personenreg. u. Diskografie
ISBN 978-3-86846-109-1 : € 39,80 (geb.)

Ein tragisches Ende: Gehirntumor und Koma. Damit war die Sopranistin Arleen Augér allerdings der Notwendigkeit enthoben, in vorgerücktem Alter (54) Überlegungen über ihre Sängerzukunft anzustellen. Immerhin ist das lyrische Fach mit Koloratureinschlag (zumindest auf der Bühne) notwendig mit jugendlicher Ausstrahlung verbunden. Auf dem Grabstein der Künstlerin stehen die Zeilen eines Liedes: „Music, when soft voices die, vibrates in the memory.“
Diese Worte treffen auf Arleen Auger schon deswegen zu, weil sie sehr viele Platten aufnahm. Im landläufigen Sinne populär wurde sie freilich nicht. Ihre Karriere gestaltete sie mit „strenger Disziplin“ und empfand doch immer ein immenses „Vergnügen, singen zu dürfen“ (S. 19). VIP-Auswüchsen stand sie ablehnend gegenüber. Man könnte also fragen, ob der Musikwissenschaftler und Pianist Ralph Zedler seine Biografie mit Würdigung eines heimlichen Stars wirklich stimmig untertitelt hat. Aber dem individuellen Künstlertum von Arleen Auger gibt das Buch auf sehr zugewandte, ja liebevolle Weise Raum. Das in Hülle und Fülle zusammengetragene Informationsmaterial imponiert, die Äußerungen von Zeitzeugen bilden zugleich einen willkommenen lesedramaturgischen Akzent.
„Sie hatte dieses Funkeln in ihren Augen, welches auf einen scharfen Verstand, schnelle Auffassungsgabe und einen ausgeprägten Sinn für Humor hindeutet“, so Kollegin Angela Maria Blasi (S. 131). Es war aber vor allem die Natürlichkeit ihres Gesangs, welche Karl Böhm ansprach, als die junge US-Sopranistin in Wien als Königin der Nacht ab 1967 Furore zu machen begann. So erkor sie der Dirigent zu seiner Dresdner Schallplatten-Konstanze (1973). Der sozusagen kammermusikalische Ton Arleen Augers wurde wenig später auch bei der Bühnen-Entführung überaus lobend hervorgehoben. Jürgen Kesting kreidet ihr in seinem Sängerlexikon freilich an, dass sie die „dramatisch-pathetische Dimension“ der Partie vokal nicht voll erfasse.
Arleen Auger war eine vielseitige Sängerin, dennoch wurde sie oft mit einem (ihr verhassten) Schubladendenken konfrontiert: Oper hier, Konzert und Lied dort und vor allem geistliche Musik. Dieses Repertoire ergab sich nicht zuletzt durch die intensive Zusammenarbeit mit Helmuth Rilling. Ähnlich verhält es sich mit den Rundfunkaufnahmen der Sängerin, wobei sie etwa der Westdeutsche Rundfunk auf Musical und Operette festlegte. Korrektur: nicht Franz Marszalek verantwortete die Einspielung von Arthur Sullivans Piraten (Anm. S. 39), sondern sein Nachfolger Curt Cremer.
Obwohl Arleen Augér durchaus gerne auf der Bühne stand, war sie nach Worten des Buchautors primär Musikerin. Als überzeugter Perfektionistin, die schon am frühen Morgen mit dem Einsingen begann, lag ihr Studioatmosphäre übrigens besonders. Doch haftet ihren Aufnahmen nie etwas Steriles an, frisch und anscheinend spontan sprechen sie nach wie vor zu uns. Eine bleibende Erinnerung.

Christoph Zimmermann
Köln, 01.05.2014

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