Eberhard Görner: Walter Jurmann. Sein Leben, seine Musik [Andreas Vollberg]

Görner, Eberhard: Walter Jurmann. Sein Leben, seine Musik. Mit einem Vorwort von Max Raabe – Leipzig: Henschel, 2014. – 280 S.: zahlr. Abb., Notenbsp., 1 Audio-CD
ISBN 978-3-89487-686-9 : € 24,95 (geb.)

Aus aller Chor- und Sängermunde – von den Comedian Harmonists bis zur gymnasialen Chor-AG – tiriliert seit 1930 Veronika, der Lenz ist da. 2006 erst aber holte Elisabeth Buxbaum auch jenen biographisch aus der Versenkung, der genannten Evergreen als eines vieler weiterer Highlights kreierte: Walter Jurmann (1903-1971). Und wie die Jungfrau zum Kind war 2005 auch Eberhard Görner, prämierter Filmemacher und Drehbuchautor (ca. 40 Folgen der ostdeutschen Kultserie Polizeiruf 110), zu dem ihm bis dato personell Unbekannten gekommen. Recherchen begannen. Ergebnis ist die zweite Hauptbiographie des einst in Berlin, Paris und Hollywood hoch gehandelten Schlager- und Filmkomponisten plus aktueller Bilanz seiner Renaissance.
Unkonventionell schlägt Görner den Bogen einleitend vom Heute über Vita und Werk zurück zur zeitlosen, ja visionären Aussagekraft von Jurmanns Musik, denkwürdig dokumentiert etwa 2010 bei der jährlichen Gedenknacht zur Zerstörung Dresdens mit Jurmanns ideellem Vermächtnis A better world to live in (subtil intoniert auch von Max Raabe auf beiliegender Bonus-CD). Derlei Schlaglichter und persönliche Betrachtungen bilden auch Intro und Intermezzi. Vor allem Witwe Yvonne kommt an markanten Stellen wiederholt via Interview zu Wort. Begebenheiten aus Ehe- und Künstlerleben zeigen, dass zumal Jurmann als Privatmensch seinen Anwälten am Herzen liegt. Reproduktiv gehört zu letzteren an erster Stelle Max Raabe, der längst erkannt hat, in welchem Grad sein Nostalgie-Repertoire aus Weimarer Tagen in wesentlichen Facetten auf das Konto Jurmanns geht.
Überraschend schnell gelangt man nach zitierten Ansprachen zur Enthüllung einer Gedenktafel am Wiener Geburtshaus in medias res, nämlich ins Berlin der goldenen 20-er, dem die musische Berufung des zunächst für Medizin Immatrikulierten bei einem pianistischen Einsatz am Nobelkurort Semmering vorausging. In fortgesetzter Featuredramaturgie zwischen den Jahren springend, beleuchtet Görner Jurmanns Schlagerschmiede mit Texterkollege Fritz Rotter, die langlebige Symbiose mit Bronislaw Kaper, eigene Sängereinsätze auf Schellack und natürlich die Phono- und Kintoppmelodien mit Interpreten vom Schlage Richard Tauber oder Hans Albers. Stringenter blättert Görner die in Paris beginnenden Emigrationsjahre auf, ausgiebig dann die regelrechte Institutionalisierung Jurmanns als sichere Bank der Metro-Goldwyn-Mayer für zugkräftige Filmhits und Backgrounds in der neuen Heimat Hollywood. So dienlich am Ende Zeittafeln, Werkverzeichnis und Filmographie, so deutlich drängt sich zuvor der Verdacht einer kritikabstinenten Idealisierung auf. Mancher Befund zur stilistischen Bandbreite vom Wiener Lied über prickelnde Tanznummern und Pariser Chansons zum American Song, die wiederholten Akzente auf dem emotionalen Schaffensimpuls und der Integrität der Person gleiten, aus plausibler Liebe zum Thema, ins Pauschale. Stilkundlich, produktions- und kulturgeschichtlich ist Jurmanns Oeuvre für weitere Ansätze gut.

Andreas Vollberg
Köln, 20.03.2014

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