Hannah Rothschild: Die Jazz-Baroness. Das Leben der Nica Rothschild [Rebecca Berg]

Rothschild, Hannah: Die Jazz-Baroness. Das Leben der Nica Rothschild. / Aus d. Engl. übers. von Hainer Kober – Berlin: Berlin, 2013. – 352 S.: s/w Abb.
ISBN 978-3-8270-1150-3 : € 19,90 (geb.; auch als e-book erhältl.)

Eine Baroness und Jazz? Dass dies zusammenpasst, beweist das bewegte Leben einer Frau mit Namen Kathleen Annie Pannonica – genannt „Nica“ – Rothschild (1913-1988), später auch Koenigswarter. Ja, richtig gehört: Rothschild. Doch wer war diese Frau, die mit den Regeln einer von Männern dominierten Dynastie brach und ihren eigenen Weg im New York der 1950er und 60er Jahre ging? Einen Weg, der sie für viele Jazzmusiker der damaligen Zeit zur Ikone machte? Für Die Jazz-Baroness begab sich die Journalistin Hannah Rotschild auf die Spuren ihrer Großtante. In ihrem Buch zeichnet sie die Lebensstationen Nicas mit allen Höhen und Tiefen nach.
Eine Rebellin in ihrer traditionsreichen Familie war Nica Rotschild schon immer gewesen. Ihre Geschichte beginnt mit einer einsamen Kindheit in englischen Schlössern. Nach einer abenteuerlichen Flucht vor den Nazis, kämpft sie im Zweiten Weltkrieg unter de Gaulle gegen die Deutschen und fliegt sogar eigenhändig Bomber. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie ihr langweiliges Dasein als Diplomatengattin, in dem sie fünf Kinder zur Welt gebracht hatte, schon hinter sich gelassen. Die Autorin hat die Familiengeschichte Nicas – und somit auch ihre eigene – bei Verwandten, Historikern u.v.a. umfangreich recherchiert behandelt sie daher ausführlich. Nicht unbedingt immer notwendig für das spätere Verständnis, sind diese anekdotenreichen Hintergrundinformationen zum Werdegang der Protagonistin jedoch spannend zu lesen.
Nachdem die eifrigen Leser ca. ein Drittel des Buches hinter sich gelassen haben, kommt sie endlich zum Vorschein: Diese eine Nica, die mit ihrer Stellung und ihrem Erbe eine ganze Generation von Jazzmusikern prägte und förderte – nicht nur finanziell. In New York City machte sie schließlich die Jazzclubs unsicher und die Nacht zum Tage. Der Titel eines bekannten Jazz-Standards von Thelonius Monk, Round Midnight, wurde zu ihrem Lebensmotto. Als Rothschild-Erbin war die Pelz tragende Baroness mit dem Bentley finanziell in der Lage, Musikern einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen. Zum Beispiel dem Pianisten und Komponisten Thelonius Monk, den sie Zeit ihres Lebens verehrte und selten von dessen Seite wich. Sie versorgte ihn mit Drogen und kutschierte den verheirateten Monk durch die Gegend. In den Clubs war Nica Rothschild als Jazz-Kennerin bekannt und geachtet. Davon konnte sich Hanna Rothschild selbst überzeugen, als sie ihre Großtante dort besuchte und ihren Lebenswandel hautnah miterlebte. Als der Saxophonist Charlie Parker im März 1955 in Nica Rothschilds Appartement im Stanhope Hotel in New York zu Tode kam, war dies ein gesellschaftlicher Skandal. Abgesehen davon, dass sich Nica eingehenden Verhören unterziehen musste, war es zu dieser Zeit undenkbar, dass eine weiße Frau einen schwarzen Musiker beherbergte und mit ihm befreundet war. Einige beschimpften sie sogar als „Negerhure“.
Die enge Freundschaft zu Jazzmusikern bescherten Nica Rothschild eine ganze Reihe von Musikstücken. 20 davon sind im hinteren Teil des Buches „Die Jazz-Baroness“ aufgelistet, allein drei davon tragen den Titel Pannonica, eines davon von Thelonius Monk geschrieben (Eine CD Nica. The Jazz Baroness mit neun Titeln war bereits 2008 beim Label Saga erschienen). Ebenfalls gelistet sind die zahlreichen Interview-Partner, die Hannah Rothschild für ihre eingehende Recherche konsultiert hat. Neben ihrer Familie waren dies auch bekannte Musiker wie Herbie Hancock oder Sonny Rollins, die aus dem Nähkästchen plauderten. Eines wird am Ende deutlich: Der Jazz war für die Musik-Mäzenin eine Art Lebenselixier oder, wie es die Autorin selbst ausdrückt: „Jazz und Nica wuchsen zusammen auf. Er war der Soundtrack ihres Lebens“ (S. 180).
Doch die historisch fundierte unterhaltsame und spannende Biographie ist nicht nur für Jazz-Liebhaber gedacht. Auch Nicht-Jazz-Fans kommen genauso auf ihre Kosten.

Rebecca Berg
Frankfurt am Main, 10.02.2014

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