H. Kunze: Lobgesang. Mendelssohn in Leipzig; P. Dießner [u.a.]: Bach, Mendelssohn und Schumann. Spaziergänge durch das musikalische Leipzig

Kunze, Hagen: Lobgesang. Mendelssohn in Leipzig. – Berlin: Lehmanns Media, 2009. – 128 S.: zahlr. farb. Ill.
ISBN: 978-3-86541-336-9 : € 12,95 (Pb.)

Dießner, Petra; Hartinger, Anselm [u.a.]: Bach, Mendelssohn und Schumann. Spaziergänge durch das musikalische Leipzig. – Leipzig: Edition Leipzig, 2. Aufl. 2009. – 128 S.: zahlr. farb. Ill.
ISBN 978-3-361-00597-6 : € 9,90 (Pb.)

Zum Ausklang des Mendelssohn-Jahres (und zu Beginn des nahenden Schumann-Jahres…) sind zwei etwas andere Publikationen erschienen, die beide auf jeweils eigene, aber überzeugende Weise Leipzig als Musikstadt zum Gegenstand haben. Beide Titel sind übrigens im Rahmen eines übergreifenden Kooperationsprojektes Bach-Schumann-Mendelssohn erschienen, wobei das Bach-Archiv federführend war.
Hagen Kunze, Musikpublizist und seit 2008 Chefdramaturg in Freiberg/Sachsen, hat den Titel von Mendelssohns Sinfonie-Kantate zum Motto über dessen Leipziger Zeit (1835–1847) gewählt, die als erfolgreichster und glücklichster Lebensabschnitt des Komponisten gilt. Aber Mendelssohn hatte bereits früher Berührung mit Leipzig und Kunze setzt daher schon 1821 an, als der 12-Jährige sein erstes Gewandhauskonzert erlebte. Schritt für Schritt zeichnet der Autor ein ruhmreiches Kapitel Leipziger Musikgeschichte nach, sich orientierend an Lebens- und Schaffensphasen, die das Buch auch inhaltlich strukturieren: Mendelssohn als Dirigent des Gewandhaus-Orchesters, als glücklicher Familienvater, als Gründungsrektor des Konservatoriums, Pädagoge, reisender Starinterpret und Ehrendoktor der Leipziger Universität. Der Autor thematisiert aber auch die Brüche in der Sichtweise der Stadt, die ihren Ehrenbürger unter dem Einfluß Wagners und später der Nationalsozialisten buchstäblich vom Denkmal stieß und erst spät im 20. Jahrhundert rehabilitierte. Erläuterungen zu Kompositionen, die dabei eine Schlüsselrolle einnehmen, sind in farbig unterlegten Kästen in den Text eingearbeitet. Dabei sind es keine sensationellen neuen Erkenntnisse, die Kunze vermittelt, nichts, was man nicht ausführlicher und tiefgründiger anderswo nachschlagen könnte. Das Verdienst des Autors liegt in der Aufbereitung und Präsentation seiner Sichtweisen, die den Leser auf unaufdringliche und doch kenntnisreiche Art mit auf die Reise nehmen. Viele farbige Abbildungen, lese- und augenfreundliches Layout machen die Lektüre zu einem Vergnügen. Für alle Kulturreisenden, die gleich aufbrechen wollen, sind der Orientierung halber ein Stadtplan (auf den Innenseiten der Einbandklappen) und Service-Adressen beigegeben.

Der zeitliche und personelle Rahmen der zweiten Publikation ist weiter gesteckt, wobei hier thematisch ausgerichtete Stadtwanderungen die Gliederung vorgeben. Bach markiert den Ausgangspunkt für insgesamt sechs musikalische Spaziergänge, die mit dem ebenso spannenden wie informativen Kapitel über die Restaurierungen der Leipziger Komponistenhäuser enden. Die Autoren sind Musikwissenschaftler, Kulturhistoriker und Museumsfachleute und verstehen ihr Produkt als Synthese aus kulturgeschichtlichem Stadtführer, Musikerbiographie und Baedeker. Es spannt einen weiten Bogen über die „Großen Drei“ hinaus bis hin zu Verlegern, Kulturschaffenden und nicht ganz so berühmten Komponisten wie Louis Schuncke, Moritz Hauptmann oder Carl Friedrich Becker, die dennoch für den musikalischen Alltag wichtig waren. Auch Richard Wagner und Gustav Mahler ist eine Rolle zugedacht, obwohl sie in der allgemeinen Wahrnehmung eher weniger mit Leipzig in Verbindung gebracht werden. Eine Besonderheit des Buches ist das scheinbar mühelose Verknüpfen von Orten, Menschen, Begebenheiten und Gedanken über die Zeitläufte hinweg, eingebettet in eine einzigartige Stadtlandschaft. Kirchen und Parks, Wohnhäuser und Gedenkstätten, Schlößchen und Konzertsäle, Verlagshäuser und Friedhöfe veranschaulichen in ihrer Dichte einen kulturellen Reichtum, der – neben Wien – in Europa wohl seinesgleichen sucht. Wer sich mit Neugier auf diese Fülle an Informationen einläßt, wird – auch ohne gleich nach Leipzig zu fahren – das Buch mit Genuß lesen, Neues erfahren und weniger Bekanntes auffrischen. Eine ansprechende optische Aufbereitung, Detailpläne mit Routenbeschreibungen und in farbigen Kästen eingestreute vertiefende Artikel verführen allerdings schon zum Ausprobieren. Die hier vorliegende 2. Auflage versteht sich als erweiterte Fassung der Ausgabe von 2005, die sich, soweit mir ersichtlich, vor allem in der aktualisierten Bibliographie niederschlägt.
Beide Bücher sind unbedingt lesenswert und eignen sich gut als Geschenk!

Claudia Niebel
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 30 (2009), S. 351.

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