Claudia Maria Knispel: Joseph Haydn

Knispel, Claudia Maria: Joseph Haydn. – Reinbek: Rowohlt, 2. Aufl. 2009. – 160 S.: 37 farb. u. s/w-Abb., 3 Notenbsp. (rowohlts monographien)
ISBN 978-3-499-50603-1 : € 8,95 (Pb.)

Claudia Maria Knispels erstmals 2003 veröffentlichte kleine Haydn-Monographie, die nun in zweiter, unveränderter Auflage erschienen ist, kann man nach wie vor als Einstiegslektüre zu diesem Komponisten empfehlen. Es gibt zur Zeit kaum andere Veröffentlichungen dieser Art, die das Wesentliche, das man über den Menschen und Musiker Haydn wissen muss, so übersichtlich und auch für den nicht musikwissenschaftlich ausgebildeten Leser verständlich auf den Punkt bringen. Vor allem: Den von Knispel aufbereiteten Informationen darf man fast immer trauen, denn was die als Lehrbeauftragte an der Universität der Künste Berlin tätige Autorin in ihrer klaren, unprätentiösen Sprache mitzuteilen hat, ist durchweg gut recherchiert und nah an den aktuellen Forschungsergebnissen. Das lässt sich noch längst nicht von jedem Haydn-Buch des Jahres 2009 sagen.
Knispel überlässt sich erfreulicherweise nicht den Anekdoten und Spekulationen, mit denen die weißen Flecken der Haydn-Biographie so gerne ausgefüllt werden. Und wo sie einmal eine Anekdote auftischt, nennt sie sie beim Namen. Wenn die Quellen zu einem Sachverhalt unterschiedliche Aussagen machen, bringt sie dies zur Sprache. Überhaupt sind recht viele Zitate aus Primärquellen und wissenschaftlicher Literatur in den Text eingestreut, die der Darstellung den Rückhalt im faktisch Gesicherten geben. Neben der Lebensbeschreibung – und hier setzt Knispel die richtigen Schwerpunkte, etwa auf Haydns oft vernachlässigte Tätigkeit als Opernkapellmeister in Eszterháza – gibt es Informationen über wichtige Werke Haydns, es werden aber auch Seitenblicke auf das zeitgenössische Musikleben riskiert. Ein guter Einfall ist der Exkurs über die Geschichte von Haydns Kaiserlied, dessen Melodie bekanntlich auch der deutschen Nationalhymne zu Grunde liegt. Durch keine andere Komposition ist Haydn schließlich auch heute noch so gegenwärtig.
Die Neuauflage hätte Gelegenheit geboten, einige (Flüchtigkeits-)Fehler zu verbessern, was aber leider versäumt wurde: So komponierte Haydn nicht 58 (S. 78), sondern 68 Streichquartette, nicht weit über 300 (S. 122), sondern mehr als 400 Bearbeitungen schottischer Volkslieder (die auch nicht alle Klaviertrio-Begleitung haben). Das Esterhazysche Marionettentheater dient heute nicht als „Lagerhaus und Kornkammer“ (S. 63), sondern ist eine Ruine, die nicht betreten werden darf. Und die Sinfonie 92 trägt den Beinamen Oxford-Sinfonie nicht seit Haydns Ehrenpromotion 1791 (S. 101), sondern erst seit dem mittleren 19. Jahrhundert. Schließlich hätte auch das Literaturverzeichnis eine Aktualisierung verdient gehabt.

Andreas Friesenhagen
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 30 (2009), S. 343

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